Prix du Public | Ein Überblick
- Publiziert am 17. Januar 2021
Welche Filme im Rennen um den Solothurner «Prix du Public» stehen.
Den «Prix du Public», honoriert mit 20 000 Franken, gibt es seit 2007. In diesem Jahr wurden elf Schweizer Filme vom Festival nominiert. Nun liegt es an den Zuschauer*innen der Onlineausgabe einen Favoriten zu küren. Filmjournalist Rolf Breiner gibt für arttv.ch einen Überblick über die Filme, die um die Gunst des Publikums werben und verrät seinen persönlichen Gewinner.
Wenn man so will, steht der Eröffnungsfilm «Atlas» von Niccolò Castelli in der ersten Reihe. Der Luganeser Filmautor greift eine wahre Begebenheit aus dem Jahr 2011 auf. Eine Bombe wurde dazumal auf dem Markt von Marrakesch gezündet. 16 Menschen starben, darunter auch zwei Tessiner. Ihre Freundinnen überlebten schwer verletzt. Das Drama beschreibt das Schicksal einer überlebenden Frau: Allegra wurde aus der Bahn geworfen und versucht, wieder Fuss zu fassen. Im Kern dreht sich der Spielfilm um Angst und Unsicherheit – ein Thema, das in aktuellen Corona-Zeiten höchst akut ist.
Der in Arbon aufgewachsene O’Neil Bürgi («Fenster zum Jenseits») schildert in seinem Dokumentarfilm «Ale», wie die 18-jährige Alessandra im Wrestling weiterkommen möchte, doch dann kommt etwas dazwischen, das sie mehr herausfordert.
Die Zürcher Filmregisseurin Gitta Gsell schildert, wie 19-jährige Beyto (Burak Ates), talentierter Schwimmer und Sohn türkischer Emigranten, sich in seinen Trainer Mike (Dimitri Stapfer) verliebt – und umgekehrt. Das kann von seinen türkischen Eltern nicht akzeptiert werden. Schwulsein – das geht gar nicht. Sie wollen ihn verheiraten. Gsell beschreibt in «Beyto» geradezu exemplarisch den Konflikt zwischen Individuum und Gemeinschaft, Zugehörigkeit und Selbstbestimmung, Verpflichtung (gegenüber der Familie) und Freiheit.
Sechseinhalb Jahre hat der Innerschweizer Thomas Imbach das Schicksal des Zürcher Güterbahnhofs filmisch festgeschrieben. Auf dem Bahnhofsgelände ist ein Polizei- und Gefängniszentrum geplant: «Nemesis» ein bitteres Zeitdokument.
Eine Fischzuchtidylle im Jura: Judith (Sarah Spale, «Wilder»), alleinerziehende Mutter, ist glücklich mit ihrer Tochter Milla und dem Geliebten Gabriel, bis ihre Tochter … «Von Fischen und Menschen», ein Filmdrama von Stefanie Klemm über Trauer, Schuld und Rache.
Zwei Menschen, die sich befreien und das Weite suchen wollen: Oscar, der unter der Knute seines Vaters leidet und Schrott sammeln muss, und Stanley, der emigrierte Nigerianer, der sich als Gelegenheitsarbeiter auf Sizilien durchschlägt. Michele Pennetta schildert in «Il mio corpo» eine schicksalhafte Begegnung.
Zwei Seelenverwandte: Lisa (Nina Hoss) liebt ihren todkranken Bruder Sven (Lars Eidinger) fast abgöttisch. Stéphanie Chuats und Véronique Reymonds packendes Psychodrama «Schwesterlein» beschreibt eine verzehrende, verlorene Liebe.
Wenn eine polnische Pflegerin dem 70-jährigen Patron Josef nach einem Schlaganfall ans Herz gewachsen ist und seine Gelüste stillt, ist für Chaos in Josefs wohlhabender Familie gesorgt. Bettina Oberli erzählt schelmisch von einer Konfrontation am Zürichsee: «Wanda, mein Wunder».
In ihrem episodenhaften Debütspielfilm «Lovecut» skizzieren Iliana Estañol und Johanna Lietha sechs Jugendliche in Wien heute: Episoden vom Suchen und Verlieren, Suchen und Sehnsüchten, Beziehungen und Liebe.
Eine Reise zu den Ursprüngen: Daniel Kemény sucht den Ort seiner Kindheit in Kalabrien auf. Sein Dokumentarfilm «Sòne» handelt von verlorener Zeit, von Vergänglichem und Gegenwärtigen.
Stefan Haupt begibt sich auf Spurensuche. In seinem «Zürcher Tagebuch» fliessen Innen-und Aussenwelt zusammen, verschränken sich Alltag und Aussergewöhnliches, fügt sich Privates mit Gesellschaftlichem. Ein ganz anderer Film über den Lebensraum Zürich.
Rolf Breiner, arttv