Die Regeln des alljährlichen «Hands On»- Wettbewerbs des lokalen Autohändlers in einem texanischen Städtchen sind einfach: Zwanzig Teilnehmer:innen stellen sich um einen brandneuen Pick-up-Truck, legen eine Hand auf das Auto und dürfen sie nicht mehr wegnehmen. Wer am längsten durchhält, darf mit dem Wagen nach Hause fahren. «One of These Days» ist eine bissige Sozialstudie über eine Gesellschaft, in der das Auto alles und der Mensch ein Nichts ist.
One of These Days
Ein Durchhaltewettbewerb der Superlative in einer texanischen Kleinstadt treibt einen Familienvater bis zum Äussersten.
One of These Days | Synopsis
Das Leben in der texanischen Provinz ist hart. Der junge Vater Kyle versucht für seine Freundin und sein Kind da zu sein, doch scheint er das Image des Losers nicht loszuwerden. Nichts will ihm gelingen und zu allem Übel will sein Auto kaum mehr anspringen. Dabei hängen in diesen Teilen Amerikas nicht nur der soziale Status, sondern auch Mobilität und Unabhängigkeit vom fahrbaren Untersatz ab. Kyle beschliesst, beim jährlichen Wettbewerb um ein Pick-up Truck mitzumachen, alles, was er tun muss, um ihn zu gewinnen, ist am längsten durchzuhalten. Doch ist er wirklich derjenige unter den Teilnehmenden, der dieses neue Auto am dringendsten braucht? Ein zermürbender Durchhaltewettbewerb beginnt, bei dem alle Wettbewerber:innen ihre dunkelsten Seiten offenbaren, ein Psychospiel, das tief in die abgründige Verzweiflung der amerikanischen Unterschicht blicken lässt.
One of These Days | Rezension von Geri Krebs
Ein Mordspass
Im ländlichen Texas gibt es eine Alternative zum Dschungelcamp, zum Fressen von Dreck und Würmern auf einer tropischen Insel: «Hands On» heisst der Wettbewerb und inspiriert ist die Geschichte von wahren Begebenheiten wie man zu Beginn des Films erfährt. Zwanzig zuvor ausgeloste Männer und Frauen stehen um einen Pickup herum und berühren ihn mit den Händen – so lange sie können. Wer nicht mehr kann, fliegt raus, wer am längsten kann, kriegt das Teil. Die Bedingungen sind klar: Jede Stunde gibt es fünf Minuten Pause, alle sechs Stunden gibt es fünfzehn Minuten, kein Hinknieen, kein Abstützen. Joan, die PR-Frau des Veranstalters, «Boudreau’s Auto and Truck», gibt per Megafon die Regeln bekannt. Zuvor konnte man das Objekt der Begierde bewundern, wie eine Reliquie im Schrein in einem liebevoll ausgeleuchteten Zelt ausgestellt, derweil draussen der Regen herunterprasselte. Und als einmal ein Aussenstehender die naheliegende Frage stellt: Ist das nicht gefährlich, Leute so nachts ohne Schlaf in der Hitze herumstehen zu lassen?, ist Joan’s Antwort: nein, nein es ist ein Mordsspass. Was man durchaus wörtlich nehmen darf. Denn mit zunehmender Dauer – die sich über Tage hinzieht – steigert sich die Aggressivität zwischen den Teilnehmenden. Sie geht von zotigen Bemerkungen («der hat halt kein Stehvermögen» mokiert sich einer, nachdem der erste erschöpft aufgegeben hat) hin zu erst verbalen, dann physischen Rempeleien bis es zum Showdown kommt, von dem an dieser Stelle nichts weiter gespoilert werden soll. Dramaturgisch geschickt verbindet Regisseur und Drehbuchautor Bastian Günther das quälend lange, ja, langweilige, Geschehen rund um die bedauernswerten Geschöpfe, die da, wie in einem Gefängnis von Aufsehern bewacht, bis zur Erschöpfung um den Pickup herumstehen, mit den Geschichten der beiden Hauptfiguren: Jener des Wettbewerbsteilnehmers Kyle, dem jungen Familienvater, der sich als Versager fühlt – und jener von Joan, die sich um ihre demente Mutter kümmert, unter dem kürzlichen Auszug ihrer erwachsenen Tochter leidet und zwischenzeitlich immer mal wieder Männer datet.
Brennglas sozialer Ungleichheit
«One of These Days» sei ein Film, der «in soghaften Bildern das Brennglas auf soziale Ungleichheiten richtet», verspricht der Verleihtext. Was zwar nicht falsch ist, allerdings sind diejenigen, die da tage- und nächtelang ihre Hände auf den blauen Pickup halten, alle vom unteren sozialen Rand, oder wie es einer formuliert: «Selbst wenn du gewinnst, bleibst du der Penner, der dort tagelang am Truck stand, weil er sich keinen kaufen kann.» Der einzige im Film, der von einer anderen sozialen Klasse stammt, ist der Besitzer des Autohauses, aber der spielt gar keine grosse Rolle. Viel mehr als ein Film über sozialen Ungleichheiten ist «One of These Days» eine bissige Sozialstudie über eine Gesellschaft, in der das Auto alles und der Mensch ein Nichts ist. Denn wenn im bezaubernd abhebenden letzten Teil des Films die Frontscheinwerfer des blauen Pickup plötzlich zu Augen werden und das Auto mit Kyle zu sprechen beginnt – derweil er zuvor noch von einem Polizisten als verdächtig, weil zu Fuss gehend, angehalten worden war – dann offenbart sich hier eine übergeschnappte Konsumgesellschaft aufs Schönste.
Fazit: In raffinierter Weise versteht es der – abwechselnd in Berlin und in Texas lebende – Regisseur und Drehbuchautor Bastian Günther, eine sich scheinbar im Kreis drehende bissige Sozialstudie über die Macht des Autos in Märchenhafte zu überhöhen und Räume zu schaffen für Poesie und Fluchten aus einer bedrückenden Wirklichkeit.
One of These Days | Weitere Stimmen
«Mit einnehmenden Bildern zeigt Regisseur Bastian Günther Amerika als Provinzshow, als menschliche Tragödie, angetrieben von der trügerischen Verheissung des American Dream.» – ZFF | «Ein Drama mit einer genialen erzählerischen Wendung.» – Peter Bradshaw, The Guardian