Pierre-Yves Walder heisst der neue künstlerische Leiter von NIFFF, dem Festival International du Film Fantastique de Neuchâtel. Welchen Ansatz verfolgt Walder und welche kuratorischen Änderungen verpasst er dem im Jahr 2000 gegründeten Festival? Ein Anlass, der sich nach eigener Definition dem fantastischen Film, dem asiatischen Kino und der «Digital Creation» verpflichtet. arttv.ch hat den neuen künstlerischen Leiter sieben Fragen gestellt.
NIFFF 2022 | Pierre-Yves Walder
- Publiziert am 7. Juni 2022
7 Fragen an Pierre-Yves Walder
1) Sie sind seit 2008 Teil des NIFFF-Teams und übernehmen nun die Leitung dieses einzigartigen Genre-Festivals. Können Sie sich noch an Ihre Anfänge erinnern und was Sie vom Festival erwartet haben?
Ich habe beim Festival als Presseattaché angefangen und im ersten Jahr mit Joe Dante, George Romero und Hideo Nakata zusammengearbeitet. Das Festival hat meine Erwartungen also sofort erfüllt! Ich fühlte mich gleich mit der Philosophie des NIFFF verbunden, die ich seit den Anfängen verfolgt hatte.
2) Was hat Sie persönlich dazu gebracht, sich für den fantastischen Film zu interessieren?
Ich war schon immer vom Kino fasziniert und hatte das Glück, in jungen Jahren Fantasyfilme im Kino zu sehen (E.T., Dark Crystal, Die Rückkehr der Jedi-Ritter). Diese Erlebnisse haben mich besonders beeindruckt und meine dauerhafte und bedingungslose Liebe zu diesem Genre besiegelt.
3) Welches Potenzial hat das Genre in der heutigen Zeit und wohin entwickelt es sich?
Der Fantasyfilm ist unerschöpflich, da er von seiner Zeit zehrt – sowohl thematisch als auch technologisch. Seine Entwicklung ist daher eng mit seiner Zeit und ihren Anliegen verknüpft. Innerhalb der retrospektiven «Scream Queer» erforschen wir dieses Jahr zum Beispiel die LGBTIQ+-Darstellungen im Genrekino in den letzten 100 Jahren. Es ist spannend zu sehen, wie die queere Identität von der Invisibilisierung, Problematik oder Dämonisierung allmählich gefeiert wurde, um sich dann nach und nach zu normalisieren. Ähnlich wie das Kino des Genres selbst, das sich in den letzten zwanzig Jahren stark demokratisiert hat.
4) Sie haben lange Zeit an der Programmgestaltung des Festivals mitgewirkt, wie hat sich diese entwickelt?
Von einem Programm, das sich auf Regisseure und Filme konzentrierte, die man dem ‹klassischen› Genrekino zuordnen könnte (von George Romero über John Carpenter bis zu Dario Argento), hat sich das NIFFF weiterentwickelt, indem es ein zunehmend integratives Konzept vertritt. Im Laufe der Jahre hat sich das NIFFF zu einem immer umfassenderen und integrativeren Fantasy-Film Festival entwickelt. Dazu gehören Autorenfilme, mit der Phantastik verwandte Genres (Thriller usw.) und Regisseur:innen. Auch der Schweizer Genrefilm hat an Bedeutung gewonnen und wir sind stolz darauf, dass wir regelmässig ambitionierte und einzigartige Werke präsentieren können.
5) Welche Filmemacher haben Sie im Laufe ihrer Karriere geprägt?
Sie sind zu zahlreich, um sie alle hier zu nennen – David Lynch, Claire Denis, Park Chan-wook, David Cronenberg …
6) Das NIFFF beschreitet nicht erst seit gestern neue Wege, mit der Reihe «Imaging The Future» thematisiert es die Schnittstelle zwischen Spiel und Film – wie wichtig ist diese Verbindung?
Viele der NIFFF-Zuschauer sind auch Gamer – die Verbindung ist also offensichtlich. Darüber hinaus gibt es Brücken zwischen der Vorstellungswelt von Videospielen und der Vorstellungswelt vieler fantastischer Filme. Das betrifft das Storytelling, die Herausforderungen und die Charaktere. Wie in der Literatur ist das Schaffen von Brücken zwischen dem Film und anderen Disziplinen geradezu organisch.
7) Ein Rundtischgespräch ist dem «Game-Powered Cinema» gewidmet, was versteht man darunter und warum ist es wichtig?
Die Pandemie hat die Filmindustrie, insbesondere die traditionellen Dreharbeiten, drastisch beeinflusst. Sie hat den Einsatz von Game Engines als flexibles und kostengünstiges virtuelles Produktionswerkzeug für Filmemacher:innen beschleunigt. Indem sie eine Echtzeit-Vorschau der virtuellen Welten bieten, in denen die Schauspieler:innen ihre Charaktere verkörpern, ermöglichen die Game Engines das Hinzufügen virtueller Effekte während der Dreharbeiten selbst. Das Ergebnis ist ein grösserer Handlungsspielraum für das Produktionsteam und eine Umwälzung des kreativen Prozesses.