Er träumte von einer Karriere als Sänger und endete als Spion. Dem St. Galler Ernst Schrämli kam sein Vertrauen teuer zu stehen: Er wurde als «Landesverräter» 1942 hingerichtet. Regisseur Michael Krummenacher rekonstruierte einen Militärfall fürs Kino, der kein gutes Licht auf die Schweiz im Zweiten Weltkrieg wirft. Es ist an der Zeit, dass solche dunklen Zeitbilder fürs Kino erschlossen werden und erhellen.
LANDESVERRÄTER
Michael Krummenachers neuer Spielfilm erzählt die Geschichte eines Schweizer Spions während des Zweiten Weltkrieges.
LANDESVERRÄTER | Synopsis
St. Gallen im Zweiten Weltkrieg: Im Irrglauben gehalten, in Deutschland ein grosser Sänger werden zu können, verkauft Herumtreiber Ernst Schrämli einem manipulativen deutschen Nazispion Schweizer Militärinformationen. Als sein Vergehen auffliegt, wird Ernst wegen Spionage und Landesverrats als erster Schweizer zum Tode verurteilt. LANDESVERRÄTER ist ein auf wahren Ereignissen basierender Film über einen jungen Tagträumer aus der Provinz, der während des Zweiten Weltkrieges ausgenutzt und verraten wird. Ernst Schrämli war der erste von 17 Landesverrätern in der Schweizer Geschichte, dessen Hinrichtung vollstreckt wurde.
Rezension
Von Rolf Breiner
Es ist nicht so, dass der Schweizer Film die Zeitgeschichte um den Zweiten Weltkrieg ganz ausspart, aber dennoch bleibt das Thema eine Ausnahme. Die bekanntesten Beispiele dafür sind Flüchtlingsfilme wie «Marie-Louise» (1944) und «Die letzte Chance» (1945). Vor allem fällt einem aber das oscarprämierte Drama «Das Boot ist voll» (1981) von Xavier Koller ein. Es ist bereits 48 Jahre her, dass Richard Dindo und Niklaus Meienberg «Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S.» (1976) dokumentierten – wie ein junger St. Galler Munition entwendete und einem deutschen Nazi-Agenten übergab. Es sei «Landesverrat», schrien Militär und Politik. Nach der Premiere an den Solothurner Filmtagen 1976 kam es zu Protesten. Man warf dem Dokumentarfilm Einseitigkeit, Polemik und Fehlerhaftigkeit vor. Bundesrat Hans Hürlimann entsagte ihm dazumal eine Qualitätsprämie, und der Zürcher Erziehungsdirektor Alfred Gilgen verweigerte ihm den Filmpreis.
Verführt und verraten
Das ist jetzt nicht mehr zu befürchten. Der aktuelle Spielfilm vom «Landesverräter» zeichnet das Bild eines jungen, haltlosen Mannes, der einen Lebenssinn sucht und auf falsche Wege gerät. Ernst Schrämli (Dimitri Krebs) gilt als Depp, verstossen, gehänselt. Ein Bruder Leichtfuss auch, der entdeckt, dass er mit seiner Stimme Anerkennung findet. Ein Deutscher namens August (Fabian Hinrichs) wird auf ihn aufmerksam, verspricht dem jungen Kerl, der widerwillig Militärdienst versieht, ihn nach Berlin zu bringen und seine Gesangskarriere zu fördern. Ernst liefert dem Förderer dafür (falsche) Skizzen von Bunkern und (echte) Granaten, die er aus einem Depot gestohlen hat. Er hoffte auf eine Karriere als Sänger. Ernst blüht auf, verliebt sich in die Bürgertochter Gerti (Luna Wedler). Diese harmlose Liaison wird ihm später vor Gericht vorgeworfen: Er wird als Vergewaltiger gebrandmarkt, obwohl seine Geliebte diesen «Übergriff» dementiert. Mehrfach hat Militär Roman Graf (Stefan Gubser) dem Aussenseiter Schrämli aus der Patsche geholfen. Und nun verspricht er dem jungen Mann, der bei seiner Spionagetätigkeit aufgeflogen ist, zu helfen, wenn er den deutschen Abnehmer Schmid bei einer Granatenübergabe ans Messer liefert. Am Ende siegen Eigennutz, Willkür und Staatsräson.
Hingerichtet
Der Schwyzer Autor und Regisseur Michael Krummenacher rekonstruiert den Fall S. in fünf Kapiteln: vom gehänselten Depp und Rekruten über die Entdeckung als Sänger und seinen kläglichen Spionageaktionen bis zum Prozess und zur Urteilsvollstreckung. Das ist schlüssig inszeniert, fokussiert auf den Täter, der nie Täter sein wollte, sondern nur sein «Heil» im Gesang suchte. Er ist Opfer falscher Versprechungen und seiner Zeit, das Schweizer Militär statuierte an ihm ein Exempel. Er war der erste von insgesamt 17 Landesverrätern, die im Zuge des Zweiten Weltkriegs 1942 hingerichtet wurde. Diese letzte Szene geht unter die Haut, wenn alle Beteiligten nach der Vollstreckung in einen Gesang einstimmen.
Fazit: LANDESVERRÄTER ist ein packender, prägender Film, der ein dunkles Kapitel erhellt und klar Position besieht: Die Kleinen müssen dran glauben, die Grossen (Waffenproduzenten) werden hofiert. Eine überzeugende Zeit- und Fallstudie. Zu dieser Aufarbeitung hat Regisseur Krummenacher einen Schauspieler gefunden, der unglaubliche Authentizität auf die Leinwand bringt: Dimitri Krebs (27), aufgewachsen in Zürich, brillierte in seiner ersten Rolle bis zum letzten Atemzug und dürfte ein heisser Kandidat für den Schweizer Filmpreis sein.