Ein Genrestreifen, der ganz anders ist als andere Zombiefilme: geheimnisvoll, introspektiv und ruhig. Eine Geschichte über Trauer, Verlust und Hoffnung, feinfühlig und eindringlich. Ein Film, dessen Trauer uns wie ein Zombie verschlingt. Die Regisseurin Thea Hvistendahl basiert ihren Erstling auf einer Erzählung von John Ajvide Lindqvist, dessen Bücher SO FINSTER DIE NACHT und BORDER bereits erfolgreich verfilmt wurden.
HANDLING THE UNDEAD
Erleben Sie die grossartige Renate Reinsve und den ebenso grossartigen Anders Danielsen Li im Angesicht von Zombies!
HANDLING THE UNDEAD | SYNOPSIS
Es ist ein schwüler Sommerabend in Oslo und merkwürdige Dinge geschehen. Verhängnisvoll ballen sich Vogelschwärme am dämmernden Himmel zusammen, auf einmal gehen die Alarmanlagen der geparkten Autos los, die Ampelanlagen spielen verrückt, es kommt zu einem Stromausfall – und die Toten erwachen. Anna hat vor Kurzem ihren kleinen Sohn verloren. Ihr Vater hat den Enkel bei Einbruch der Dunkelheit auf dem Friedhof ausgegraben und nachhause gebracht, weil er nicht mitansehen kann, wie sich seine Tochter vor Kummer quält. Tora hat am Nachmittag ihre Partnerin bestattet, doch nun steht diese schweigend in der gemeinsamen Küche. David und seine zwei Kinder haben an diesem Abend die Mutter bei einem Autounfall verloren, aber sie ist anscheinend wieder ins Leben zurückgekommen. Wirklich lebendig sind die Verstorbenen aber nicht. Was sind sie und was wollen sie? «Handling the Undead» ist ein ganz besonderer Zombie-Film: geheimnisvoll, nachdenklich und still ist er ebenso eine Geschichte über Trauer, Verlust und Hoffnung und gerade deshalb faszinierend schauererregend. Thea Hvistendals Regiedebüt basiert auf John Ajvide Lindqvists Drehbuch, dessen Werke «Let the Right One in» und «Border» bereits erfolgreich verfilmt wurden.
Rezension von Djamila Zünd
Zombies im Dienste reflektierter Trauer
Thea Hvistendahls Debütfilm HANDLING THE UNDEAD weicht bewusst von den klassischen Archetypen des Zombiefilms ab. Was ihn zudem auszeichnet, ist das besondere Aussehen der zum Leben erweckten Figuren: Eine hat einen violetten Rücken, die Folge einer Blutlache im Sarg, eine andere ist mit Narben übersät, die von einem tödliche Autounfall stammen, und wieder andere erschrecken durch ihr Make-up im Stil der Filme von George A. Romero. Anders als der Film TRAIN TO BUSAN oder die Serie THE WALKING DEAD ist Hvistendahls Drama zwar immer noch dem Horrorgenre zuzuordnen, behandelt aber auf zärtliche und nostalgische Weise, wie die Figuren ihre Beziehungen zu ihren frisch ins Leben zurückgekehrten Verwandten neu erkunden. Der Film unterscheidet sich auch von jenen Geschichten, die sich auf aggressive und gefrässige Zombies konzentrieren. HANDLING THE UNDEAD fordert die Zuschauenden dazu auf, über eigene Werte nachzudenken und das Gesehene als metaphorische Trauerbewältigung zu begreifen.
Was würden Sie tun, wenn ein geliebter Mensch, den Sie gerade verloren haben, plötzlich wieder zum Leben erwacht?
Diese Schlüsselfrage wird im Film auf originelle Weise erforscht. Das Übernatürliche dient nur als Vorwand, um tiefgründigere Themen anzusprechen. Die Zombie-Epidemie ist somit lediglich Hintergrund für weitaus komplexere Überlegungen und zwingt die Zuschauer:innen, ihre eigenes persönliches Umfeld und eigene Erwartungen an dieses zu hinterfragen. Der Film zeigt sowohl den Schmerz der Trauer als auch die Resilienz der «Überlebenden», indem er die individuellen und kollektiven Reaktionen auf die unerwartete Wiederauferstehung untersucht. Die Zuschauer:innen werden gleich zu Beginn in drei Geschichten entführt, die miteinander verwoben sind. Alle Protagonist:innen müssen mit dem Verlust eines geliebten Menschen zurechtkommen und teilen ein auslösendes Ereignis: ein unerwartetes elektromagnetisches Phänomen, das die Radiowellen und die Zugmuster der Vögel stört und das die Toten wieder zum Leben erweckt. Die Art, mit den wiederbelebten Toten umzugehen, unterscheidet sich jedoch von Fall zu Fall erheblich. Diese komplexe Handlung legt den Grundstein für die Beziehungen zwischen Trauernden und Wiederbelebten.
Die Trauer, die uns wie ein Zombie verschlingt
HANDLING THE UNDEAD betont auch, wie entscheidend es ist, Trauernde zu unterstützen. Beispielsweise nimmt die einsame 80-jährige Tora (Bente Børsum) im Beerdigungsinstitut Abschied von ihrem verstorbenen Partner und veranschaulicht damit Einsamkeit und das Bedürfnis nach Trost. Auch zeigt der Film, wie kleine Kinder schon früh mit dem Verlust ihrer Mutter konfrontiert werden, wobei Hvistendahl die psychologischen und emotionalen Folgen dieser Tortur hervorhebt. Wir erleben den Fall von Anna (Renate Reinsve), eine trauernde junge Mutter, die die Bemühungen ihres Vaters Mahler (Bjørn Sundquist) von sich weist, sie in ihrer schwierigen Situation zu unterstützen. Thea Hvistendahl lädt uns also zu einer tiefgründigen Reflexion über das Wesen der Trauer und die daraus resultierenden familiären und sozialen Dynamiken ein und fesselt uns gleichzeitig mit ihrer Expertise der menschlichen Reaktionen auf das Aussergewöhnliche.
Fazit: HANDLING THE UNDEAD ist es wert, entdeckt zu werden. Der nuancierte und bewegende Film überwindet die Konventionen des Zombiefilms. Er bietet Nervenkitzel, ermöglicht bei Zuschauer:innen aber auch Reflexionen. Jede Stille und jeder Stillstand ist präzise abgestimmt und lässt uns in eine Atmosphäre eintauchen, die für einen Zombiefilm unüblich ist. HANDLING THE UNDEAD ist feinfühlig und eindringlich erzählt. Und Nina Simones berührende Coverversion von Jacques Brels «Ne me quitte pas» könnte zum Soundtrack jener Gedanken werden, die HANDLING THE UNDEAD hervorruft.