Die neue mitreissende Komödie der preisgekrönten Regisseurin zeigt einen knallbunten Mikrokosmos unserer Gesellschaft und nimmt sich dabei jene vor, die sich für besonders tolerant halten. Witzig, scharfsinnig und ganz ohne Scham spricht sie die Reizthemen unserer Zeit an, denen das Freibad eine wundervolle Bühne bereitet. Für ihre Sommerkomödie bringt Dörrie ein ein fulminantes Ensemble vor die Kamera.
Freibad
Sind wir wirklich so tolerant, wie wir alle immer glauben? Ein entblössender filmischer Besuch im Freibad mit Doris Dörrie
Freibad | Synopsis
Es ist Sommer und sehr heiss im einzigen Frauenfreibad Deutschlands. Dort badet Frau oben ohne, im Bikini, Badeanzug oder Burkini. Jede folgt dabei anderen Regeln. Das führt immer wieder zu Reibereien, die die überforderte Bademeisterin nicht so ganz im Griff hat. Als dann auch noch eine Gruppe komplett verhüllter Frauen das Frauenbad begeistert für sich entdeckt, fliegen buchstäblich die Fetzen: Wem gehört das Bad und wer bestimmt die Regeln? Wem gehört der weibliche Körper? Und wann ist denn überhaupt eine Frau eine Frau? Die Bademeisterin kündigt entnervt. Als dann aber als Nachfolge ausgerechnet ein Mann als Bademeister angestellt wird, eskaliert die Situation in unvorhersehbare Richtungen.
Freibad | Stimmen
«Doris Dörries scharfzüngige Komödie ist bestes politisches Kabarett und überrascht mit so konsequenten wie klugen Botschaften.» – artechock | «Nach Art eines Open-Air-Kammerspiel verwandelt sich die sommerliche Liegewiese zum Schauplatz einer humoristischen Feldstudie über Toleranz und Diversität. Allerdings gleitet die Komödie allein schon durch die schiere Masse an Figuren allzu oft in Klischees und Stammtisch-Humor ab.» – Filmdienst | «… nicht nur ein spannender, sondern auch lustig-nachdenklicher Diskussionsbeitrag […]. Ein Plädoyer für mehr Miteinander und weniger Gegeneinander!» – Der Kulturblog
Rezension
von Rolf Breiner
Der Schauplatz: Eine grüne bayrische Wiese mit Sonnenschirmen und lauschigem Nass. Hier sonnt und planscht Frau im Frauenfreibad – und fühlt sich frei. So könnte man meinen, glaubt man einer Clique komplett verhüllter Muslima, die das besagte Bad unter Führung Kamilas (Sabrina Amali) aufsuchen. Endlich keine Männer! Doch auf der anderen Seite mokiert sich eine Fraktion, die ein gewisses Heimrecht beansprucht. Die Freundinnen Eva (Andrea Sawatzki) und Gabi (Maria Happel) bezeichnen sich zwar als liberal, fühlen sich aber eingeengt und motzen. Auch eine Gruppe Kopftuchträgerinnen mit Sema (Sema Poyraz) oder Emine (Ilknur Boyraz) beobachten die Neuen eher argwöhnisch. Auffällig ist die sportliche Yasemin (Nilam Farooq) im «Ganzkörperkondom», also Taucheranzug, die galant ihre Bahnen zieht. Kassierin Rocky (Lisa Wagner) steht auf Körperkult und hat nur Augen für Muskeln. Die Grillanbieterin Kim (Nico Stank), ein verdeckter Mann, kann mit seinen Lammwürstchen nur bedingt «kulinarisch» punkten.
Ein unvermeidbarer Girlkott
Die schwarze Bademeisterin Steffi (Melodie Wakivuamina) sieht dem Treiben mehr oder weniger hilflos zu und kann den drohenden Knatsch nicht verhindern. Es reicht. Steffi fährt aus der Haut und schmeisst ihren Job hin. Ein Bad, auch wenn es sich frei nennt, ohne Badeaufsicht, geht gar nicht. In der Not frisst der Teufel Fliegen, in diesem Fall bietet die schnippische «Meckerliese» Eva einen Mann auf – den «aquatischen Menschen» Nils (Samuel Schneider). Er muss den Bademeister unter lauten Frauen verkörpern. Das führt geradewegs zum nächsten Tohuwabohu. Aussenseiterin Paula (Julia Jendrossek) ruft zum Girlkott (statt Boykott) auf und legt das Bad lahm. Ist die Freiheit sprich das Freibad noch zu retten?
Altersangst und Ausgrenzung
Mit einem fulminanten Ensemble – mal oben ohne, mal verschleiert – hat sich Filmautorin Doris Dörrie einen Spass mit Hintersinn gemacht. Ihr «Freibad» ist deftig und dufte, grantig und genüsslich, lustvoll und lasterhaft. Dabei geht es nicht nur um vorgetäuschte Toleranz und schlummernde Vorurteile, sondern auch um Ausgrenzung, Selbstwert und Selbstbestimmung. Doris Dörrie spielt mit Klischees und arrangiert sie liebevoll, bisweilen boshaft. Im freibadenden Mikrokosmos ist keiner vor Fallen, Rassismus und Aggressionen gefeit. Angst vorm Altern und Sexfrust spielen dabei auch eine Rolle. Doris Dörrie: «Die Altersangst bezieht sich sehr stark auf den Körper und die Ausgrenzung allein durchs Alter, wofür man gar nichts kann. Vor Ausgrenzung und Einsamkeit fürchtet sich hier nicht nur Eva, die eine emanzipierte Frau ist, Feministin, allein lebt, aber natürlich irgendwo dazu gehören möchte. Das ist für uns alle, und für jede Figur hier im Film die Frage – wo und wie kann ich dazugehören?» Das geht jeden an, unabhängig vom Gendersein. Die Konflikte im Freien können überall stattfinden. «Ich habe immer schon Filme gemacht, die sich um Ausgrenzung gedreht haben», meint Regisseurin Dörrie, «um Rassismus, Homophobie, um Marginalisierung und Gleichberechtigung». Ihre neuste Komödie beschreibt mal tierisch ernst, mal ironisch Szenen des Alltags im kunterbunten Freibad und amüsiert hintergründig trotz ständiger Keilereien und dem grosszügigen Einsatz von Klischees.
Fazit: In ihrer Filmkomödie rückt Doris Dörrie Frauen verschiedenen Alters und Status in den Blickpunkt. In ihrem Mikrokosmos prallen Vorurteile und Gegensätze, Angst und Aggressionen aufeinander. Und wenn dann die Fetzen fliegen, ist man nicht nur bestens amüsiert, sondern kommt auch nicht umhin, sich an die eigene Nase zu fassen.