Der 66-jährige Kultregisseur und schwermütige Romantiker aus dem hohen Norden schafft es in seinem jüngsten Werk erneut, die Leinwand zu verzaubern und mit feiner Suspense von Sehnsucht, Einsamkeit und der grossen Liebe zu erzählen. Und einer zunehmend prekarisierten Gesellschaft sowie dem Leben in Zeiten des (Ukraine-)Kriegs.
FALLEN LEAVES
Fallen Leaves | Synopsis
«Fallen Leaves» erzählt von zwei einsamen Menschen, die im nächtlichen Helsinki zufällig aufeinandertreffen. Sowohl sie wie auch er sind auf der Suche nach der ersten, einzigen und endgültigen Liebe ihres Lebens. Doch es gibt ein paar Hindernisse auf dem Weg zu diesem Ziel: Seine Alkoholsucht, verlorene Telefonnummern, die Unkenntnis des Namens und der Adresse des jeweils anderen – und nicht zuletzt die allgemeine Tendenz des Lebens, denjenigen, die ihr Glück suchen, Steine in den Weg zu legen…
Fallen Leaves | Weitere Stimmen
«Poetisch, klug und zutiefst menschlich.» – 3sat Kulturzeit | «Eine Tragikomödie, die schimmert wie ein Diamant.» – The Hollywood Reporter | «Aki Kaurismäki ist zurück – mit einem Meisterwerk!» – Libération | «Die Magie des Kinos ist allgegenwärtig in diesem Film.» – SRF Kultur | «Ein kleines Juwel, das die Liebe als letzte Zuflucht erkundet.» – Le Monde | «Der Film des Finnen ist grandios.» – Spiegel online
Rezension
Von Doris Senn
Im Zentrum von «Fallen Leaves», Kaurismäkis neustem von bislang 17 Langfilmen, steht die Liebesgeschichte von Ansa und Holappa. Die nicht mehr taufrische und etwas pausbäckige Ansa wird gespielt von Alma Pöysti, die ihren Durchbruch mit der Hauptrolle im Biopic «Tove» machte und die ihrer unscheinbaren Figur in «Fallen Leaves», die erst im Supermarkt, dann am Spülbecken einer mafiösen Bar arbeitet, viel Authentizität verleiht. Der finnische Starschauspieler Jussi Vatanen verkörpert eine der klassischen Kaurismäki-Männerfiguren: den drahtigen, eher knurrigen, dem Alkohol zugeneigten Arbeiter Holappa, der Ansa bei einem Karaoke-Abend aus der Ferne erblickt – und auf der Stelle ins Herz schliesst.
Melancholisches Helsinki
Sein anrührendes Melodram erzählt Kaurismäki – auch da bleibt er sich treu – in einem aus der Zeit gefallenen, ins fahle Licht von Strassenlampen getauchte Helsinki. Mit sprödem Charme schildert er den Alltag von Ansa und Holappa, die guten Gewissens ihren Job machen – und doch vom
Leben (oder besser: ihren Arbeitgebern) abgestraft werden. Die füreinander geschaffen sind – und doch so viele Hürden überwinden müssen, um zueinanderzufinden. «Fallen Leaves» veranschaulicht dies in minutiös arrangierten Szenenbildern – nächtens vor dem Kino, in der Karaokebar, in der einsamen Stube von Ansa, im Pritschenlager von Holappa.
Knallige Ästhetik für die feinen Zwischentöne
Während die Handlung in ruhiger Lakonie vonstattengeht, bringen die Ausstattung (Ville Grönroos) und die knalligen Kostüme (Tiina Kaukanen) in feurigem Rot und Knutschgrün die Leinwand zum Explodieren und lassen Mode und Design frei flottieren zwischen Fünfziger mit wattiertem Radio und gerafften Kleidchen und Nullerjahre mit Internet und Lederjacke. Zum Ganzen passt die Musik der in Finnland äusserst populären Schwestern-Popband Mausetetytöt, die mit ihrem eingängigen Pop und den skurrilen Texten und Videos sich kongenial ins Kaurismäki-Werk einfügen. Und natürlich zieht sich über den Film einmal mehr ein Netz aus cinephilen Anspielungen – zu Kaurismäkis erklärten «Göttern» gehören Ozu, Bresson und Chaplin, aber auch Jim Jarmusch und Almodóvar klingen an –, die dem Kino augenzwinkernd Hommage erweisen.
Fazit: Mit «Fallen Leaves» läuft Kaurismäki einmal mehr zu ganz grosser Form auf und schafft ein hinreissendes Filmmärchen mit Realbezug. Humorvoll unterwandert der finnische Regisseur die grossen Gefühle und lässt bei aller Düsterkeit immer tiefe Humanität mitschwingen. Sollte es eine Erlösung geben, dann nicht zuletzt in der Liebe, da mag sich die Welt noch so düster präsentieren. Ein Paradox, das Kaurismäki im Lauf seiner Filme immer wieder zelebriert hat und am besten selbst in Worte fasst: «Wenn alle Hoffnung dahin ist, gibt es keinen Grund für Pessimismus.» «Fallen Leaves» ist ein wunderbares Beispiel dafür.