Eine filmische Reise in die Gedankenwelt von Eileen Gray: E.1027 rekonstruiert die dramatische Geschichte einer avantgardistischen Designerin und ihres atemberaubend schönen Hauses. Die Design-Ikone Eileen Gray war zudem unmittelbare Inspiration für die Gestaltung des Films, welche sich in klaren Linien, besonderen Farbgebungen und Formen widerspiegelt.
E.1027 – EILEEN GRAY UND DAS HAUS AM MEER
Über die hochbegabte Künstlerin Eileen Gray und ihr Leben im langen Schatten männlicher Kollegen.
E.1027 – EILEEN GRAY UND DAS HAUS AM MEER | SYNOPSIS
Sie baute ein Haus für sich selbst und es wurde ein Meisterwerk: Die irische Designerin Eileen Gray baut 1929 ein Refugium an der Côte d’Azur. Ihr erstes Haus ist ein diskretes, avantgardistisches Meisterwerk. Sie nennt es E.1027, eine kryptische Kombination aus ihren Initialen und denen von Jean Badovici, mit dem sie es gebaut hat. Als Le Corbusier das Haus entdeckt, ist er fasziniert und besessen. Später überzieht er die Wände mit Wandmalereien und veröffentlicht Fotos davon. Gray bezeichnet diese Malereien als Vandalismus und fordert ihre Rücknahme. Er ignoriert ihren Wunsch und baut stattdessen sein berühmtes Le Cabanon diekt hinter E.1027, das bis heute die Erzählung des Ortes dominiert. Eine Geschichte über die Macht des weiblichen Ausdrucks und den Wunsch der Männer, ihn zu kontrollieren.
E.1027 – EILEEN GRAY UND DAS HAUS AM MEER | WEITERE STIMMEN
«Ein exzellenter Architekturfilm, der uns ins Bewusstsein ruft, wie Frauen der Zeit von Eileen Grey von ihren männlichen Kollegen in den Hintergrund gedrängt wurden, obwohl die Frauen künstlerisch zuweilen diesen weit voraus waren. Wer das berühmte Glastischen von Grey besitzt, wird nach diesem Film doppelte Freude daran haben.» -* arttv.ch* | «Die Kinematographie, die Schauspielerei, die Musik und alles in diesem Film ist grossartig. Er ist auf eine subtile, noch nie dagewesene Weise schön.» – Modern Times Review | «Poesie gleitet durch jede Einstellung, jeden Winkel, jeden Ton.» – Le Monde | «Der elegante und gut durchdachte Film nutzt das Medium des Kinos, um einen Diskurs zu bereichern, der zu lange von der Arroganz einiger weniger beherrscht wurde.» – Cineuropa.org
Rezension
Von Doris Senn
Vom Sehen ist das formschöne Beistelltischchen aus Glas und Stahl sicher vielen bekannt. Doch nur wenigen dürften Objektname und Schöpferin bekannt sein: Es heisst E.1027, und kreiert wurde es von Eileen Gray (1878–1976), einer irischen Designerin und Architektin. Sie schuf verspielt-avantgardistische Objekte – etwa den «Non Conformist»-Sessel, kubistisch inspirierte Teppiche aus Naturfasern oder eine ebenso schlichte wie extravagante Villa an der Côte d’Azur, ebenfalls E.1027 genannt. In der Dokufiction von Beatrice Minger geht es um diese Villa und um ihre Architektin. Es geht um Männer und Frauen, und es geht um Macht.
Arroganz Le Corbusiers
Es war Grays erstes Haus und machte Furore. Sein Name spielt mit Buchstaben und Zahlen und verweist auf die Initialen von Eileen Gray und ihres damaligen Lovers und Co-Architekten Jean Badovici. E.1027 war ein ebenso kunstvolles wie auf die Bedürfnisse seiner Bewohner:innen abgestimmtes Haus an einem felsigen Ort mit Sicht auf das Meeresblau. Ein Traumhaus. Insbesondere für Gray und Badovici, die eine Zeit lang gemeinsam darin lebten. Aber auch in der Meinung von Besucher Le Corbusier, der zu einem späteren Zeitpunkt – Gray war da schon ausgezogen – immer wieder Freund «Bado» besuchte. Le Corbusier – auf seinem Zenit als Architekt – liess sich erklärterweise von Ort und Bau inspirieren und strebte unverhofft seiner insgeheimen Berufung als Maler nach. So «verzierte» er eines schönen Tages die schlichten weissen Wände mit Picasso-inspirierten Fresken. Bado liess in seiner Zeitschrift die Bilder davon um die Welt gehen. Damit wurde – bewusst, unbewusst – der Mythos von Le Corbusier als Erbauer der Villa genährt. Den dieser in aller Selbstgefälligkeit nicht widerlegte. Als Gray von den Malereien erfuhr, empfand sie die Idee ihres Werks als «beschmutzt» – und kehrte nach dem frühen Tod Bados nicht mehr in die Villa zurück.
Reenactment und theatrale Bildinstallationen
Für ihre dezidiert feministische Herangehensweise an die Geschichte von E.1027 und die Biografie ihrer Erbauerin nutzt Beatrice Minger sowohl Filminszenierungen wie installative Arrangements, in denen projizierte Archivfotos und Bühnenelemente als immersives Setting für die Dramaturgie dienen. Sie spiegeln die abstrakte Modernität von Grays Kreationen. Die Regisseurin schafft so einen hybriden Dokumentarfilm und eine umsichtig komponierte Hommage an die Künstlerin, um gleichzeitig die wahre Erbauerin des architektonischen Schmuckstücks, das heute ein Museum ist, zu rehabilitieren.
Fazit: E.1027 heisst der Film über die gleichnamige Villa, die Eileen Gray in den 1920er-Jahren mitten in die unzugänglichen Felsen der Côte-d’Azur erbaute. Als Dokufiction erzählt Beatrice Minger die Geschichte einer ebenso brillanten wie verkannten Künstlerin und Architektin in einer männerdominierten Kunstwelt – in der insbesondere Le Corbusier in keinem besonders guten Licht dasteht.