Indonesien in den 60er-Jahren: Inmitten politischer Querelen findet die Erzählung Halt in einer sanftmütigen, doch starken Frauenfigur. Nach «Yuni» (2021) realisiert die junge Regisseurin Kamila Andini mit «Before, Now & Then» in kürzester Zeit ihren insgesamt vierten Langfilm. Es ist zu hoffen, dass sich ihr bildstarkes Epos als ebenso erfolgreich erweist wie der Vorgängerfilm, der als indonesischer Beitrag ins Rennen um den Oscar ging und im Wettbewerb der Berlinale 2022 zu sehen war.
Before, Now & Then
Before, Now & Then | Synopsis
In den 1960er-Jahren kam es in Indonesien zu einem gewaltvollen antikommunistischen Putsch; Präsident Sukarno wurde durch General Suharto abgelöst. Die sanfte, schöne Nana haben die dramatischen Ereignisse damals mitgenommen. Ihr Ehemann wurde verschleppt. Sie selbst konnte dem Anführer der Bande, der sie zur Heirat zwingen wollte, zwar entkommen, doch der Vorfall kostete ihren Vater das Leben und trieb sie in die Armut. Jahre später führt sie als zweite Frau eines wohlhabenden Sundanesen mit einem Dienstmädchen an ihrer Seite ein angenehmes Leben. Aber in ihren Träumen holt die Vergangenheit sie ein. Regisseurin Kamila Andini nimm zurückhaltend-elegant den Blickwinkel ihrer Protagonistin ein. Der mutmassliche Tod des früheren Ehemanns treibt die geheimnisvolle Nana, von Happy Salma mit viel Feingefühl gespielt, noch immer um. Ihre Erinnerungen sind – vielleicht zu ihrem Glück – lückenhaft. In einem Meer aus Widrigkeiten, verursacht durch männliche Brutalität, ist eine unerwartete Frauenfreundschaft Nanas Rettung.
Before, Now & Then | Stimmen
«Sinnlichkeit und sanfter Widerstand: Nana mutet oft wie eine indonesische Version von Wong Kar-Wais ‹In the Mood for Love› an.» – tipBerlin | «Kamila Andini, die mit ihrem Film die Erfahrungen der Mutter Jais Dargas, ihrer ausführenden Produzentin verarbeitet, kleidet die Geschichte in elegante, opulente Bilder, die die zarten Figuren jedoch nie im historischen Dekor ersticken. Solidarisch mit der Perspektive ihrer Protagonistin scheut sie sich nicht vor Nostalgie und dem Schwelgen in schönen Dingen, Farben und Stoffen. Und sie lässt sich Zeit: für die Rituale des Alltags, das Haarefärben, das Arrangieren von Blumen, für Festlichkeiten, Tänze und immer wieder: Musik.» – Tagesspiegel | «Die indonesische Regisseurin Kamila Andini erzählt in ihrem Wettbewerbsbeitrag Nana die Geschichte einer Emanzipation.» – Märkische Allgemeine
Rezension
von Madeleine Hirsiger
Die Geschichte von Nana, einer nicht mehr ganz jungen, aparten Frau und Mutter, beginnt als Rückblende mit ihrer Flucht in den tropischen Wald Indonesiens. Drei Zeitebenen geben dem Film seinen Titel und auch die Struktur. Im «Now» erfahren wir sogleich von dem «Before», Nana erinnert sich an ihr Schicksal: Ihr Mann wurde während politischer Wirren im Land verschleppt und Nana mit einem älteren Herren verheiratet. Dann kommen die 60er-Jahre. Nana führt ein angenehmes Leben und hat drei Kinder mit eben diesem wohlhabenden Landbesitzer. Doch Träume quälen sie durch die Nacht. General Suharto kommt an die Macht und geht gegen die Kommunisten vor.
Kein Opfer ihrer Epoche
Und bis zum «Then» erfahren wir eine wunderbare Geschichte einer Emanzipation von zwei Frauen: von Nana und der Geliebten ihres Mannes, Ino. Und darum geht es der 36-jährigen Regisseurin Kamila Andini, die mit ihrem vierten Spielfilm an verschiedenen Festivals Furore machte. Zuerst ist Nana das Opfer einer Epoche in der eine patriarchale und kriegerische Gesellschaft Frauen keinen Raum lässt. Dann keimt in ihr die Sehnsucht nach Freiheit und Selbstständigkeit auf, wo sie unerwartet Unterstützung bei Ino findet, nachdem sie Nana entlarvt hat. Beide freunden sich an und befreien sich allmählich von ihren Zwängen, was sich auch in ihren Frisuren spiegelt: Anfangs werden die langen Haare zu einem Knoten zusammengebunden (darunter sind die Geheimnisse verborgen) und am Schluss tragen sie ihre Haare offen. Es ist die Zeit, wo die Tradition in Indonesien mit der Moderne konfrontiert wird.
Voller Sanftmut und Kraft
«Before, Now & Then» ist von Sanftmut gezeichnet, die Kamera bewegt sich bedächtig und erzeugt üppige Bilder. Die zarte Farbgebung ist dem Inhalt angepasst. Es gibt keine Hektik, lange Einstellungen lassen Raum für die sorgfältige Inszenierung und die Bewegungen der Darstellenden. Es sind vorwiegend Frauen.
Fazit: Was den Film auszeichnet, ist das tiefe Verständnis für die Gefühlswelt und die jeweilige Entwicklung der Hauptprotagonistin. Wir begleiten Nana auf ihrer emanzipatorischen Reise und selbst ihr Mann Mr. Darga lässt weise Nachsicht walten. Er lässt sie ohne Groll in die Freiheit entschwinden. Eine Wohltat.