Nach zwei Jahren in einem Jugendgefängnis findet sich Wellington allein auf den Strasen von São Paulo wieder – ohne Kontakt zu seinen Eltern, ohne Geld und ohne einen Plan. In einem Pornokino begegnet er dem 42-jährigen Ronaldo, der zu seinem erfahrenen Liebhaber wird. Ronaldo bringt ihn mit dem Sexmilieu in Kontakt, in dem Wellington unter dem Namen Baby zu arbeiten beginnt.
BABY
BABY | SYNOPSIS
Nach seiner Entlassung aus einer Jugendstrafanstalt ist Wellington ganz auf sich selber gestellt und ohne Ressourcen, um ein neues Leben zu beginnen. Er lernt Ronaldo kennen, einen älteren Mann, der ihm neue Wege des Überlebens zeigt. Nach und nach entwickelt sich ihre Beziehung zu einer konfliktreichen Leidenschaft. Immer tiefer wird der junge Mann in die Welt seines Mentors hineingezogen, die für ihn beides bedeutet: Halt und grosse Gefahr.
Marcelo Caetano (*1982 in Brasilien) studierte Sozialwissenschaften in São Paulo und feierte 2017 mit CORPO ELÉTRICO sein Regiedebüt. Er arbeitete unter anderem an Filmen wie BACURAU (2019) und AQUARIUS (2016) mit. BABY lief dieses Jahr in Cannes in der Reihe Semaine de la Critique. Hauptdarsteller Ricardo Teodoro erhielt dort den Louis Roederer Foundation Rising Star Award.
BABY | STIMMEN
«Nach CORPO ELÉTRICO kehrt Marcelo Caetano mit BABY zurück, der in Cannes 2024 ausgezeichnet wurde. Sonnig, sinnlich und herrlich romantisch zeigt der Film zwei von allen Fesseln befreite Wesen am Rande der Gesellschaft. Der Film bietet eine wunderschöne, moderne Liebesgeschichte, schildert aber auch eine erstickende soziale Realität und befasst sich treffend mit der Frage der Familie, insbesondere derjenigen, die wir für uns selbst wählen. Im Gegensatz zur traditionellen biologischen Familie stellt er andere ursprüngliche, alternative Formen der Zuneigung (Liebhaber, Freunde, Nachbarn) vor, die Wellington auf seinem Weg helfen werden. Immer in Bewegung, fängt die Inszenierung Körper und Herzen ein, die in Flammen stehen, mit einem einzigen Ziel: nichts dem Leben entkommen zu lassen.» – bern.lgbt
Rezension
Von Rolf Breiner
Dunkle Bilder wie aus dem Verborgenen. Der realitätsnahe Spielfilm BABY von Marcelo Caetano ist Liebesfilm, Coming-of-Age-Geschichte und Sozialdrama zugleich. Er bietet Einblicke in das Sex- und Drogenmilieu São Paulos und lief sehr erfolgreich an Filmfestivals von Rio bis Cannes. Schauspieler Ricardo Teodoro wurde in der Sektion Semaine de la Critique in Cannes mit als Bester Hauptdarsteller ausgezeichnet.

Wellington wird zu Baby
Der Trommelwirbel am Anfang täuscht. Hier geht es weder um eine Parade noch um einen schmissigen Gesellschaftsfilm. Die Kapelle besteht aus Häftlingen, und einer von ihnen wird so zusagen mit Pauken und Trompeten entlassen. Der 18-jährige Wellington hat fast zwei Jahre im Knast verbracht, wohl wegen einer Gewalttat. Jetzt steht er auf der Strasse in São Paulo, praktisch mutterseelenallein. Seine Eltern sind verschwunden. Düstere Aussichten. In einem Pornokino bändelt er mit dem 42-jährigen Ronaldo an. Der will ihm auf die Sprünge helfen, was heisst: Er will ihm die Prostitution schmackhaft machen. Schnell verdientes Geld eben. Aus Wellington wird der Strichjunge «Baby». Ronaldo fädelt einen ersten Deal ein: Ein Freier sucht Befriedigung als Voyeur, indem er Ronaldo und Baby beim Vögeln zuschaut. Der Neuling rastet aus. Ronaldo versucht den Zögling an sich zu binden. Sie werden ein Liebespaar, nicht ohne Zwist. Doch schmutzige Geschäfte stürzen sie ins Unglück. Sie werden Opfer des Drogendealers Torres (Luiz Bertazzo). Baby macht schmerzhafte Erfahrungen auf dem Weg zum Erwachsensein. Er sucht Halt, Geborgenheit, Liebe bei Ronaldo, aber auch Unabhängigkeit und Freiheit. Verständnis findet er bei Priscila (Ana Flavia Cavalcanti), Ex-Geliebte Ronaldos und Mutter ihres gemeinsamen Sohns.
Bilder verborgener Träume
Der brasilianische Regisseur Marcelo Caetano taucht mit seinem zweiten Spielfilm tief in die queere Szene und LGBTQIA-Community São Paulos, fokussiert auf eine Minderheit der Gesellschaft, sprich lesbisch, gay, bisexuell, transgender, queer, intersexuell und asexuell. Mal schrill, mal schummrig – die Bilder (Kamera von Joana Luz) sind dunkel wie aus dem Verborgenen, jedoch nie voyeuristisch und kaum erotisch. Baby wirkt düster. Trotz einiger Lichtblicke ist der Liebesfilm auch eine Coming-of-Age-Geschichte und ein Sozialdrama rund um das Thema Sexwork. Die hervorragenden Hauptdarsteller sind Neulinge: João-Pedro Nariona (Baby) war bisher als Model tätig und Ricardo Teodoro (Ronaldo) war zuvor nur in kleineren Serienrollen zu sehen.
Fazit: Regisseur Marcelo Caetano taucht in BABY tief in die queere Szene São Paulos ein. Das Liebespaar Ronaldo (42) und Baby (18) erlebt düstere Zeiten. Ein ungeschminkter und roher Einblick in ein Milieu, in dem Drogenkonsum und Prostitution zum Alltag gehören.