Eine Überraschung ist es nicht! Forsythe ist schliesslich Forsythe! Einer der ganz grossen, wenn nicht der grösste Choreograf unserer Zeit. Mit Sicherheit aber ein kongenialer Erneuerer des Tanzes. Dementsprechend gigantisch gut präsentiert sich sein dreiteiliger Ballettabend im Opernhaus Zürich.
Ballett Zürich | William Forsythe
- Publiziert am 13. Januar 2020
Eine berauschende Hommage an den kürzlich 70 Jahre alt gewordenen amerikanischen Choreografen William Forsythe.
Standing Ovations
Allen drei Stücken ist die eindringliche und faszinierende Musik von Thom Willems gemeinsam. Wenn man der Publikumsreaktion Aufmerksamkeit schenken will, dann sind es die erste, «The Second Detail» und die dritte Choreografie, «One Flat Thing, reproduced», die besonders gefallen. In Letzterer werden zwölf Tische betanzt. Eine extrem faszinierende, quirlige, dynamische Angelegenheit, geprägt durch eine vielfältige Tanzsprache, die man so wohl noch selten gesehen hat. Zuweilen traut man seinen Augen nicht! Ein Chaos von Körpern und Farben elektrisiert die Zuschauer*innen. Es ist ein Stossen, Gleiten, Zucken und Flimmern, das am Schluss trotz der eindrücklichen Bewegungsfülle und den mannigfaltigen Sinneseindrücken ein harmonisches Ganzes bildet. Fazit: Ein genialer Ballettabend, der – und das ist für das Zürcher Opernhauspublikum nicht selbstverständlich – mit einer Standing Ovation quittiert wurde.
Erneuerer des Tanzes
Am 30. Dezember 2019 feierte William Forsythe seinen 70. Geburtstag. Weltweit wird er als einer der kreativsten und intelligentesten Erneuerer der Tanz-Tradition geschätzt. Bereits in den 70er Jahren revolutioniert Forsythe den Tanz mit einer unerwarteten Weiterentwicklung des akademischen Balletts, indem er den menschlichen Körper völlig aus dem traditionellen Schema des klassischen Balletts befreite. Das Tanzvokabular bereichert er um Formen, die zuvor als fehlerhaft galten. Auf faszinierende Weise werden Bewegungen verdreht, verbogen, zerlegt und – neu zusammengesetzt – in einen anderen Raum gestellt. Das Ballett Zürich setzt seine intensive Auseinandersetzung mit dem Werk William Forsythes fort und feiert den amerikanischen Choreografen mit einer Hommage aus drei wegweisenden Stücken.
Ein Ballettabend mit drei Choreografien
«The Second Detail», 1991 für das National Ballet of Canada kreiert, ist als eine der frühen Arbeiten Forsythes weltweit in das Repertoire vieler klassischer Compagnien eingegangen. Auf einem pulsierenden, elektronischen Klangteppich von Thom Willems ereignet sich ein analytisches Spiel mit der Geometrie des klassischen Tanzes, das die Protagonisten an die Grenzen ihres Gleichgewichtssinns und ihrer Beweglichkeit führt. In der minimalistischen «Approximate Sonata» von 1996 befragt Forsythe mit vier Paaren den klassischen Pas de deux auf seine Gültigkeit. Das Ballett Zürich zeigt das Stück in der 2016 von Forsythe erstellten Pariser Neufassung. «One Flat Thing, reproduced» – im Jahr 2000 mit dem Ballett Frankfurt uraufgeführt – steht am Ende des dreiteiligen Ballettabends und erweitert das Spektrum von Forsythes Ballett-Erforschungen um eine weitere Facette: Inspiriert von Büchern über Expeditionen zum Südpol, entwickelt Forsythe hier eine sich immer mehr verdichtende Choreografie, die ihren Höhepunkt im scheinbaren Chaos der Körper inmitten von zunächst perfekt angeordneten 20 Tischen findet. Der Choreograf vergleicht diese Tische mit Eis, glatt und unvorhersehbar gefährlich. Wiederum zu Musik von Thom Willems ist «One Flat Thing, reproduced» eine atemberaubende Choreografie des Pulsierens und Sich-Verlierens.