Kultur braucht Journalismus
- Publiziert am 22. September 2023
Der Verein für Kulturkritik ch-intercultur (cic) hat im Rahmen der aktuellen Vernehmlassung der Kulturbotschaft 2025 detailliert Stellung bezogen.
Der Wandel der Medienlandschaft, die fortschreitende Medienkonzentration und neue Informationsgewohnheiten in der Bevölkerung gefährden heute Kulturberichterstattung und Kulturkritik. cic setzt sich dafür ein, dass der Kulturjournalismus stärker gewürdigt wird. Sein Credo: «Es ist Zeit, den unabhängigen Kulturjournalismus als unerlässlichen Teil der Kulturpolitik zu anerkennen. Dies zahlt sich in politischer, kultureller und gesellschaftlicher Hinsicht aus.»
ch-intercultur ist ein Verein für Kulturkritik und für Information über kulturelles Schaffen und Leben, vor allem in den Sparten Schweizer Literatur, Theater, Musik, Film, Bildende Kunst und Fotografie. Er fördert den Informationsaustausch über die Grenzen der Sprachregionen hinweg. Bis 2018 führte ch-intercultur den Namen Schweizer Feuilleton-Dienst (SFD). Im April 2020 ging die bisherige Zusammenarbeit zwischen ch-intercultur und Keystone-SDA/ATS zu Ende. Präsidiert wird der Verein vom Ulrich Gut.
Eine weitere Schwächung des Kulturjournalismus
Der Bund hat während rund 80 Jahren in der Deutschschweiz den Schweizerischen Feuilletondienst (SFD) und in der Suisse Romande den Service de Presse Suisse (SPS) unterstützt und damit die Wichtigkeit der Kulturberichterstattung anerkannt. Mit dieser Unterstützung war eine kritische und unabhängige Kulturberichterstattung gewährleistet. Der SFD berichtete ab 1993 zusammen mit der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) über alle Kunstgattungen und der SPS konzentrierte sich auf die Literatur. Gegenüber dem SFD – seit 2018 ch-intercultur – kündigten das Bundesamt für Kultur BAK und Keystone-SDA/ATS 2020 den seit 1993 bestehenden Dreiecksvertrag auf, was die Beendigung der darauf beruhenden Bundesbeiträge an cic zur Folge hatte. Die bisherige Unterstützung für Viceversa Literatur, ein Projekt des SPS für Schweizer Literatur, will das BAK neu Pro Helvetia übertragen. Bis heute ist allerdings nicht klar, ob die Finanzierung von Webseite und Jahrbuch zustande kommt. Diese beiden weiteren Einschränkungen des unabhängigen Schweizer Kulturjournalismus geschehen im Umfeld einer zunehmenden Medienkonzentration. Damit wird ein Mangel an Pluralismus und Meinungsvielfalt in Kauf genommen. Denn es wird schon seit Jahren ein Rückgang der Kulturberichterstattung in den Medien der privaten Grossunternehmen beklagt.
Es braucht beide Perspektiven
Die Kultur und ihre Förderung sind eine öffentliche Angelegenheit. Beides bedingt eine öffentliche Debatte. Dafür ist ein lebendiger Kulturjournalismus unerlässlich. Das Kulturförderungsgesetz kennt seit 2016 im Art. 9a den Begriff der «Teilhabe der Bevölkerung am kulturellen Leben». Damit anerkennt der Bund, dass Kulturschaffen auf Öffentlichkeit angewiesen ist. Und es wird klar, dass es beide Perspektiven braucht, jene der Kulturschaffenden und jene ihrer Rezipienten. Bis heute wurden, einerseits durch die Kulturbotschaften 2016 und 2021 und andererseits in der Praxis der Kulturförderung, die Teilhabe fast ausschliesslich von der Produktionsseite her, angegangen. Und auch der aktuelle Entwurf der Kulturbotschaft 2025 beschränkt sich bei der Aufgabe der Teilhabe auf die Förderung der produzierenden Kulturstätten. Mit der sehr allgemeinen Erwähnung, «Medien sorgen für die Wahrnehmung des kulturellen Schaffens in der Öffentlichkeit, sie reflektieren es und ordnen es ein und leisten Übersetzungsarbeit für das Publikum und die Förderung», ist es nicht getan. Es fehlt die grundsätzliche Einsicht, dass die kulturelle Teilhabe der Bevölkerung auf die Öffentlichkeit angewiesen ist.
Drei Massnahmen
Drei Massnahmen können die staatlichen und privaten Organe der Kulturförderung sofort angehen und im Lauf der Periode von 2025–2028 zum Tragen bringen:
1. Die Vertiefung der Analyse zum Stand der Entwicklung in der Schweizer Kulturberichterstattung. Diese wurde 2021 mit der fög-Erhebung des cic und dem Symposium von BAK und SwissFoundations über «Kulturberichterstattung in der Krise» eingeleitet.
2. Die Klärung dessen, was im Online-Kulturjournalismus schon an Infrastruktur, Kanälen, Präsentationsformen sowie Inhalten vorhanden ist. Es soll das Potential ermittelt werden, welche Projekte entwickelt und in Kooperationen mit öffentlichen und privaten Geldern unterstützt werden sollen. Dazu plant cic in den nächsten Monaten einen ersten Workshop mit Akteur:innen verschiedener Bereiche. Die Erkenntnisse daraus sollen den Impuls dafür geben, dass die öffentlichen und privaten Organe der Kulturförderung unterstützend aktiv werden.
3. Die Erprobung von neuen Online-Plattformen, die die vielen kulturjournalistischen Beiträge im Netz zentralisierend/dezentralisierend aus ihrem Nischendasein herausholen. Dazu hat cic ein Konzept erarbeitet. Dieses versteht sich nicht als pfannenfertige Lösung, sondern als ein Modell, an dem probehalber Erfahrungen und Einsichten gesammelt werden können. Sie sollen zeigen, welches Entwicklungspotential eine horizontale Verknüpfung der Akteur:innen im Online- Kulturjournalismus mit sich bringt, aber auch welche Schwierigkeiten dabei zu überwinden sein werden.