Die 26. Ausgabe des EDI, der «Oscar» für den Schweizer Werbefilm, zeichnet ein zwiespältiges Bild. Anstelle von Aufbruch, jugendlicher Frische und Mut zum Risiko dominieren stereotype und normierte Beiträge. Es entsteht der Eindruck einer satten, sich selbst genügenden Branche. Provokativ, aber werbewirksam formuliert: Der professionelle Schweizer Werbefilm ist gefühlsmässig momentan ein bisschen «am Arsch»! Für arttv.ch am EDI war Chefredaktor Felix Schenker.
EDI 2025 – die Schweizer Werbebranche feiert sich selbst
- Publiziert am 31. Oktober 2025

Werbung in der Dauerschleife: Migros, Roger Federer und Co.
Der nostalgische Werbespot für die Migros, der das Gründerpaar Adele und Gottlieb Duttweiler zeigt, mag technisch hervorragend sein und berühren. Doch er preist ein Unternehmen an, wie es einst war: sozial und verantwortungsvoll. Das steht im krassen Gegensatz zum heutigen Geschäftsgebaren und macht den Spot zur unfreiwilligen Antiwerbung (Spot anschauen). Die wiederholten Auszeichnungen für die Werbekampagnen von Migros und Schweiz Tourismus, die mit schönen aber glattgebügelten Spots punkten, war dann auch eher langweilig. Auch die omnipräsente Präsenz von Roger Federer, der inzwischen für so ziemlich alles wirbt, Kaffee, Schuhe, Handy, Internet oder was auch immer, sorgt für wenig Aufregung. Bei allem Respekt für seine sportlichen Leistungen – es ist genug.
Die wahren Stars kommen aus den Sozialen Medien
Die Verantwortlichen des EDI täten gut daran, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und auch Beiträge aus den sozialen Medien zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht von professionellen Werbeagenturen stammen. Gerade hier funktionieren nämlich nicht die aalglatten Spots von grossen Agenturen, sondern das vermeintlich Unperfekte. Ein herausragendes Beispiel dafür sind die beiden jungen Mitarbeiter der Baufirma Mary AG, die mit ihren Social-Media-Auftritt eine der besten Corporate-Kommunikationen des Landes bieten (Reel anschauen). Ob dahinter eine professionelle Werbeagentur steht oder nicht, bleibt ein Rätsel. Aber genau das ist die Zukunft der Werbung, man darf sie nicht sofort als solche erkennen und statt in «Schönheit zu schwelgen», sind Ecken und Kanten gefragt.

Lichtblicke gibt es durchaus
Trotz des Gefühls, dass bei dieser 26. EDI-Ausgabe wenige Brancheninsider sich gegenseitig die Preise zuschieben, gab es zwei positive Ausnahmen: «Baloise x Tschugger: The Bank Job»: Der Werbespot, in dem das Tschugger-Team für die Baloise sich einem Banküberfall annimmt, bleibt im Gedächtnis und zeigt, dass die Baloise nicht nur Versicherungen, sondern auch Bankdienstleistungen anbietet. Er war der beste Werbespot des Abends. (Spot anschauen). Ein weiteres erfreuliches Beispiel ist eine Kampagne, die sich dem Thema «Wohnen im Alter» widmet. Sie macht aber auch schnell klar, dass die Tertianum-Residenzen nur für jene Senior:innen erschwinglich sind, die das nötige Kleingeld haben.
Wenn die KI die Branche überholt
Die Moderation des Abends durch den KI-Künstler Karpi war ein Highlight. Er ist einfach gut! Erfreut und wohl auch überrascht, durfte er selbst einen Preis entgegennehmen. Ausgezeichnet wurde ein Reel, in dem er auf humorvolle Weise behauptet, die Schweiz gäbe es gar nicht, und gleichzeitig Werbung für das Fotomuseum Winterthur macht. Es ist erfreulich, dass Kulturinstitutionen neue Kommunikationswege beschreiten, um auch ein jüngeres Publikum zu erreichen. KI bietet dafür eine opportune Gelegenheit. Dennoch wirkt der Reel inhaltlich nicht ganz passend zur Institution.