Vor gut hundert Jahren dokumentierte der Benediktiner Mönch Pater Emmanuel Wagner mit seiner Kamera Landleben und Leute im Weiler Grafenort, im Engelbergertal. Der langjährige Herausgeber des «Nidwaldner Kalenders» war ein begnadeter Zeichner und hinterliess viele Blätter, die visionäre und kritische Zukunftsszenarien darstellen.
Talmuseum Engelberg | Pater Emmanuel Wagner
Ein zeichnender Visionär
Sinnbildlich für die jeweils im «Nidwaldner Kalender» veröffentlichten Zukunftsbilder von Pater Emmanule Wagner steht die 1890 publizierte Zeichnung «Stansstad im 20. Jahrhundert» – ein Werk, das nur so von Visionen strotzt. Da fährt bereits eine aus dem Tunnel kommende Dampflokomotive beim Lopper über die Achereggbrücke, ein Ereignis, das erst 1964 Tatsache geworden ist. Elektrischen Strom gibt es auf dieser Zeichnung auch schon. Auf allen seinen jeweils im «Nidwaldner Kalender» veröffentlichten Zukunftsbildern kommt immer wieder sein Humor zum Vorschein. So bezeichnete er die «Fotografiersucht» – so heisst eine 1901 veröffentlichte Zeichnung – als moderne Krankheit und hat damit das vorweggenommen, was mit den Handys heute zum Alltag gehört. Neben den Visionen von Pater Emmanuel Wagner sind in der Ausstellung auch Portraits von bekannten Zeitgenossen, aber auch Illustrationen für die von ihm geschriebenen Kalendergeschichten zu sehen. Viele der Zeichnungen widerspiegeln das Leben in Nidwalden und im Engelbergertal und sind aufgrund der detailgetreuen Abbildung von Kleidung und Gegenständen auch interessant für die wissenschaftliche Volkskunde.
Ein früher Fotograf
Während Jahrzehnten blieben seine fotografischen Arbeiten unentdeckt. Sie wurden erst dieses Jahr einem breiten Publikum in Stans zugänglich gemacht. Die Bildwirkung ist verblüffend. Interessant ist dabei sein stets bewusster Bildaufbau, der seine Fotokunst so einzigartig macht. Ein Geheimnis dieser Bilder liegt wohl bei den Fotografierten selber, die mal etwas starr, mal freundlich-naiv, mal in leichter Geschäftspose auf den Bildern erscheinen. Das Medium der Fotografie war neu, viele Personen dürften zum ersten Mal in ihrem Leben abgelichtet worden sein.
Der Kalendermann
Seine eigentliche Berühmtheit erlangte Pater Emmanuel Wagner durch seine Tätigkeit für den «Nidwaldner Kalender», den er in den Jahren 1890 bis 1907 redigierte. In dieser Zeit sind selten Beiträge enthalten, die nicht aus seiner Feder stammen. Wagner drückte dem Hauskalender seinen persönlichen und unverwechselbaren Stempel auf. Seine nie versiegende Erfindungsgabe, seine hervorragende Kenntnis der nidwaldnerischen Geschichte und Denkungsart, die Kunst, Alltägliches originell zu gestalten, und die Liebe zu seinem Heimatkanton führten dazu, dass der Kalender immer mehr zum Klassiker wurde. Und niemandem fiel es ein, den Redakteur dafür zu tadeln, dass er ganz selbstverständlich Engelberg in die Nidwaldner Berichterstattung miteinbezog.