Roger Humbert (1929–2022) zählt zu den bedeutendsten Vertreter:innen der «Konkreten Fotografie» in der Schweiz. Über sieben Jahrzehnte hinweg entwickelte Humbert seine Erforschungen des Lichtes – von analogen Fotogrammen über klassische Fotografien bis hin zu digitalen Lichtkompositionen. Die Ausstellung in der Fotostiftung Schweiz präsentiert Humberts vielseitiges und komplexes Werk.
Roger Humbert: Ein Pionier der Schweizer Fotografie
- Publiziert am 15. August 2025
Die Ausstellungen in Winterthur und Konstanz sowie die Publikation wurden von Prof. Bernd Stiegler von der Universität Konstanz initiiert. Projektpartner waren – neben der Fotostiftung Schweiz – der Turm zur Katz in Konstanz, vertreten durch seine Leiterin Anna Martinez Rodriguez.
Ein vielseitiges Werk
«Roger Humbert – Fotografien für den geistigen Gebrauch» präsentiert neben den kameralosen Fotografien aus der analogen und digitalen Phase, für die Humbert bekannt wurde, auch Serien, mit denen er die gegenständliche Welt dokumentierte – etwa auf Reisen durch Frankreich, Italien, die Niederlande, China und die USA oder in seinem näheren Umfeld rund um Basel. Noch als 90-Jähriger experimentierte er mit der digitalen Aufzeichnung von Licht. Die Ausstellung spannt den Bogen von seinen frühen Lichterkundungen bis zum experimentellen Spätwerk und eröffnet somit fotografische Seh- und Denkräume, die im Dialog mit den Bildwelten seiner Untersuchungen der gegenständlichen Welt neu entdeckt werden können.
Kameralose Lichtforschung: Fotogramme und Luminogramme
Roger Humbert wurde bekannt für seine experimentellen Lichtaufnahmen: Sein Leitsatz «Ich fotografiere das Licht» beschreibt das Zusammenfallen von Subjekt und Objekt, von Materialität und Bewusstsein in seiner künstlerischen Forschungsarbeit. Seine Fotogramme sind Ausdruck einer sinnlich-technischen und theoretischen Auseinandersetzung mit Licht, Wahrnehmung und Erkenntnis. Es sind Bilder «für den geistigen Gebrauch», wie Max Bill es einst formulierte, die Humbert mehrheitlich in der nächtlichen Einsamkeit der Dunkelkammer produzierte: Durch das nicht wiederholbare Spiel mit Schablonen und Rastern, Prismen und Filtern, die dem Künstler als vordigitale Bildgeneratoren dienten, entstanden einzigartige Fotogramme und Luminogramme. Seit 1949 arbeitete er mit dieser Technik, die er über Jahrzehnte hinweg verfeinerte und auf ungewöhnlich grosse Formate ausweitete. In den 2010er-Jahren erweiterte er seine Lichtforschungen durch digitale Verfahren und schuf leuchtend farbige, gegenstandslose Kompositionen.
Pionier der «Konkreten Fotografie»
Ab den 1950er-Jahren und bis hin zu seinen letzten Serien lotete Humbert mit seinen Fotogrammen und Luminogrammen die Grenzen der Fotografie aus, um sich, wie er selbst schrieb, «innerhalb der Fotografie restlos vom Gegenständlichen zu verabschieden und damit ein neues Kapitel einzuleiten». Die Ausstellung «Ungegenständliche Photographie» von 1960 im Gewerbemuseum in Basel zeigte seine Lichtstrukturen und ist ein frühes Zeugnis des zunächst noch tastenden Erkundens eines neuen Bereichs der ungegenständlichen Fotografie, dem bald weitere Arbeiten und eine Gruppenbildung innerhalb der damaligen Foto-Szene folgten. In René Mächler, Rolf Schroeter und Jean-Frédéric Schnyder fand Humbert Gleichgesinnte, mit denen er die «Konkrete Fotografie» in der Schweiz etablierte.
Fotografien der gegenständlichen Welt
Die Fotogramme, als wichtiger und auch umfangreicher Teil seines Werks, machen jedoch nur einen Bruchteil dessen aus, was Humbert in seiner fast sieben Jahrzehnte umspannenden fotografischen Tätigkeit belichtet und erforscht hat. In den 1950er- und 1960er-Jahren entstehen in Basel und auf Reisen präzise komponierte Schwarzweissfotografien im quadratischen Format, bei denen er mit den Kontrasten von Schärfe und Unschärfe, Licht und Schatten, aber auch einer klaren Linienführung arbeitet. Auch auf späteren Exkursionen – unter anderem nach China, Ägypten und in die USA – konzentriert sich Humbert nicht auf touristische Motive, sondern erstellt sorgfältig reduzierte Farbdiaserien. Die Serie der China-Bilder, die in der Ausstellung als Projektion gezeigt wird, ist zugleich die umfangreichste und zeichnet sich durch einen pointierten Einsatz von Farbe aus.
Der Bestand von Roger Humbert
Bereits 2007 übergab Humbert einen grossen Bestand seiner Fotogramme und Luminogramme als Vorlass der Fotostiftung Schweiz. Nach seinem Tod kamen weitere Abzüge und umfangreiches Dokumentationsmaterial hinzu – darunter Notizen, Briefe, Artikel und Kritiken. Seither wurden verschiedene Initiativen ergriffen, um das Wissen über Roger Humberts Werk zu erweitern und öffentlich zugänglich zu machen. Nach der Erschliessung, Digitalisierung und Online-Stellung seines Vorlasses erschien 2011 Katharina Langs Studie «Roger Humbert und die konkrete Fotografie – Einordnung seines Werks (1945–1974)». 2014 fand dann die Ausstellung «Roger Humbert. Konkrete Fotografie» im Rappaz Museum in Basel statt. Schliesslich beteiligte sich die Fotostiftung Schweiz 2017 an der Publikation «konkrete fotografie als programm», die Humberts analoge und digitale, kameralose Bildexperimente vergleichend in den Blick nahm.
(Textgrundlage: Fotostiftung Schweiz)