Der Sarner Bildhauer Kurt Sigrist hat verschiedene imaginäre Kultlinien entdeckt, die sich wie ein Netz quer durch Obwalden bis ins Berner Oberland, nach Luzern und in den Aargau spannen. Am 21. Juni 2018, zur Sommersonnenwende, werden diese faszinierenden Verbindungen zwischen Kirchen, Kapellen und markanten Bergspitzen erstmals visuell einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, begleitet von den Klängen des Musikers Jul Dillier.
Pfarrkirche Sarnen | Flüeli-Kapelle | Kurt Sigrist | Sonnenwendfeier
- Publiziert am 20. Juni 2018
Mystische Kaltlinien durchziehen Obwalden und verweisen auf vorchristliche Orte, an denen möglicherweise Sonnenwendfeiern zelebriert wurden.
Tag-Nachtgleiche
Drei Monate später endet das mobile Ausstellungs- und Informationsprojekt mit der Illumination einer imaginären Linie, welche die Flüeli-Kapelle mit der Pfarrkirche Kerns, der Kapelle Siebeneich und der Renggkapelle verbindet.
30jährige Forschung
Kirchen, Kapellen und Berge in der Talschaft Obwalden und weit darüber hinaus stehen in einem sonderbar linearen Bezugsfeld zueinander. Der Ursprung dieser faszinierenden Entdeckung und des daraus hervorgegangenen Projektes von Kurt Sigrist liegt bereits mehr als drei Jahrzehnte zurück: Am 21. Dezember 1984 beobachtete der Kunstschaffende am frühen Morgen auf der Fahrt von Kerns nach Sarnen ein ebenso eigenartiges wie mystisches Phänomen: Während das Dorf Sarnen noch in Dunkelheit getaucht war, erstrahlte die Pfarrkirche Sarnen bereits im Glanz der ersten Sonnenstrahlen. Dies just am Tag der Wintersonnenwende, wie Kurt Sigrist feststellte. Ein Zufall oder eine Verbindung zum keltischen Brauch, bedeutsame Orte an den Wendepunkten des Jahres auf ebenso bedeutsame Punkte am Horizont auszurichten?
Indizien für einen vorchristlichen Sonnenwendplatz bei der Pfarrkirche Sarnen
Kurt Sigrist ging dem Phänomen nach und beobachtete die SonneneinstrahIungen, forschte auf Karten nach Verbindungen zwischen markanten Bergspitzen und sakralen Bauten. Und er wurde fündig – mit ebenso verblüffenden wie faszinierenden Erkenntnissen: Von der Pfarrkirche Sarnen aus betrachtet, geht jeweils am Tag der Sommersonnenwende am 21. Juni die Sonne im Einschnitt zwischen dem Stanserhorn und dem «Chli Horn» auf. Am 21. Dezember ist das gleiche Phänomen zwischen Nünalphorn und Huetstock zu beobachten. Die Kreuzung der Winter- und Sommersonnenwende bei der Pfarrkirche Sarnen lässt darauf schliessen, dass es hier einen vorchristlichen Sonnenwendplatz gab.
Kultlinie von lnnertkirchen bis zur Hofkirche Luzern
Weiter fiel Kurt Sigrist auf, dass sich die gerade Linie von der Pfarrkirche Sarnen zur Kirche Alpnach nordwärts bis zur Kapelle Rengg und weiter zur Kirche Adligenswil erstreckt und südwärts bis zur alten Kirche Lungern und zum Taleinschnitt des Brünigpasses verlängern lässt. Eine weitere Gerade zielt von der alten Kirche Lungern über die Kirche Sachsein und die Kirche Kerns zur Kirche St. Jakob in Ennetmoos. Weitere Kultlinien verbinden die Kirchen von Grossteil, Stalden und Alpnach, sowie quer über das Tal die Kirchen von Stalden, Pfarrkirche und Kapelle St. Antonius in Sarnen, sowie von der Kirche Kerns zur Kapelle Wiesenberg. Auch Stalden, Wilen, Sachsein und Melchtal stehen in einer geraden Verbindung. Von der Hofkirche Luzern führt eine Linie über die Rengg-Kapelle, Siebeneich und Kerns zur Kapelle Flüeli und weiter über den Berg Haupt bis zur Kirche lnnertkirchen.
Feier zur Sommersonnenwende
In Zusammenarbeit mit dem Verein Kulturlandschaft möchte Kurt Sigrist diese imaginären Linien zum ersten Mal einem interessierten Publikum visuell zugänglich machen. Die Eröffnungsveranstaltung des Projekts findet am Tag der Sommersonnenwende am 21. Juni 2018 bei der Pfarrkirche Sarnen um 06.00 Uhr statt (Sonnenaufgang: ca. 6.32 Uhr). An diesem Tag geht die Sonne am Standort der Pfarrkirche von Sarnen, der Mutterkirche im Kanton Obwalden, exakt zwischen dem Grossen und dem Kleinen Stanserhorn auf und bescheint als ersten Ort im Tal die Kirche Sarnen. Daniel Schönbächler, Abt im Kloster Disentis, wird ein Referat halten, Jara Malevez zeigt ihren Film «Pfarrkirche Sarnen — ein Sonnwendplatz?». Begleitet wird die Eröffnungsveranstaltung vom Musiker Jul Dillier, der den Sonnenaufgang einläuten wird.
Abschluss
Die Schlussveranstaltung findet am 21. September 2018, am Tag der Tag- und Nachtgleiche, bei der Flüeli-Kapelle um 20.30 Uhr statt. Mit einer Feuerillumination wird eine dieser imaginären Linien, die Linie «Flüeli-Kapelle — Pfarrkirche Kerns — Kapelle Siebeneich — Renggkapelle» markiert. In einer Blackbox, die während der Sommermonate an verschieden Standorten entlang dieser Kultlinien aufgestellt wird, kann sich das interessierte Publikum mittels Display, Infotafeln, Texten und Landkarten über das faszinierende Phänomen informieren.