Die Auseinandersetzung mit biblischen Themen verbindet der chinesische Künstler Tsang Kin-Wah mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Ereignissen: In der Kartause Ittingen thematisiert er die Verurteilung und Hinrichtung Saddam Hussein.
Kunstmuseum Thurgau | Ecce Homo Trilogie II
Fragen nach Gerechtigkeit
Der in Hongkong lebende Tsang Kin-Wah schafft Räume, in denen Fragen nach Gerechtigkeit, Wahrheit und Menschlichkeit als universelle Werte zur Diskussion gestellt werden. Dabei nutzt er filmisches Dokumentationsmaterial, das im Internet frei verfügbar ist. «Ecce Homo» – mit diesen Worten präsentierte Pontius Pilatus der Öffentlichkeit den gegeisselten Jesus vor der Kreuzigung. Die wörtliche Übersetzung aus dem griechischen Urtext des Johannesevangeliums lautet «Siehe, der Mensch». Luther übersetzte den Ausspruch mit «Sehet, welch ein Mensch». In der Einheitsübersetzung heisst es «Seht, da ist der Mensch». Die Bibelstelle wirft die existenzielle Frage auf, was denn das Menschsein ausmacht. Als die Passionsgeschichte zum zentralen Thema der abendländischen Frömmigkeit wurde, entwickelte sich in der bildenden Kunst eine reiche Darstellungstradition der Szene. In der Literatur betitelte dann gar der Philosoph Friedrich Nietzsche seine Autobiografie mit «Ecce Homo. Wie man wird, was man ist».
Informationsverbreitung durch neue Medien
Der zweite Themenkomplex im Werk von Tsang Kin-Wah betrifft die Distribution von Informationen durch die neuen Medien. Anhand des teilweise heimlich aufgenommenen, aber heute frei verfügbaren Filmmaterials der Tötungen werden auch die Macht- und Bedeutungsproduktion von Bildern in einer digital vernetzten Welt zur Diskussion gestellt.
Zum ersten Mal in Thurgau
Er vertritt Hongkong an der Kunstbiennale von Venedig 2015 und wird nun vom Kunstmuseum Thurgau erstmals im deutschsprachigen Raum in einer Einzelausstellung vorgestellt. Für seine Installationen, in denen er die Apokalypse des Johannes als raumfüllende Lichtprojektionen umsetzt, erhielt Tsang Kin-Wah internationale Aufmerksamkeit. Biblische und philosophische Texte, aber auch eigene Gedanken und Interpretationen ranken sich in ornamentalen Schriftzügen durch die Räume, was eine eindrückliche Befragung von Schuld und Gerechtigkeit nach sich zieht. In den Räumlichkeiten des ehemaligen Kartäuserklosters Ittingen ist der zweite Teil seiner Trilogie «Ecce Homo» inszeniert.