Die Sommerausstellung im Kunstmuseum Liechtenstein ist dem Münchner Künstler und Theoretiker Thomas Lehnerer (1955–1995) gewidmet. In der ersten grossen Überblicksschau überhaupt werden bekannte Plastiken, Mal- und Zeichnungszyklen sowie noch nie ausgestellte Werke und Konzepte präsentiert.
Kunstmuseum Liechtenstein | Thomas Lehnerer | Freies Spiel
- Publiziert am 8. August 2018
Prozess
«Ich habe ein kleines leeres (oder auch bereits bearbeitetes) Blatt Papier, ein Stück Leinwand oder einen Klumpen Wachs oder Ton vor mir, ich sitze davor oder gehe mit dem Material umher. Mein Kopf ist gesammelt zunächst auf nur ‹eine› Frage, die Frage des Anfangs, die bildnerische Prinzipienfrage: ‹Wie kommt es überhaupt zu einem Bild?›»
Thomas Lehnerer, Methode der Kunst, 1994
Die Methode des Künstlers
Lehnerer hat in seinem kurzen Leben die Existenz der Kunst nicht als selbstverständlich wahrgenommen und deren Aufgabe und Inhalt ausführlich gedeutet. In seinen Schriften, allen voran in «Methode der Kunst», entwickelte er in Weiterführung von zentralen Texten der Ästhetik, Kulturtheorie und Kunstgeschichte einen Kunstbegriff, der in seinem künstlerischen Schaffen wiederzufinden ist. Seine kleinformatigen figürlichen Plastiken, meistens aus Bronze, Blei oder Wachs, seine Zeichnungen, Aquarelle und die frühen Rauminstallationen folgen den theoretischen Prämissen und bringen umfassende Themen des Menschseins auf. Die Auseinandersetzung mit der menschlichen Existenz wird durch den Einbezug von kulturhistorischen oder theologischen Figuren und einer Vielfalt an Fundstücken vertieft.
Die ganze Welt
Die Aufmerksamkeit gegenüber Zufälligem und Vorgefundenem hat eine grosse Wichtigkeit in der Entstehung der Arbeiten und stellt oft einen Ausgangspunkt dar. Der siebenteilige Zeichnungs- und Malzyklus «Die ganze Welt» (1985/86) fügt sich zu einer Gegenwelt, um für das eigene Dasein Erkenntnis zu schaffen. Allgemein widmete Lehnerer dem Prozess des Entstehens und der inneren Auseinandersetzung grosse Aufmerksamkeit. Es geht nicht um das Optische, sondern um eine absolute Gegenwärtigkeit beim Schaffen und Rezipieren der Werke. Diese markieren eine Differenz zur Welt und vermitteln zugleich zwischen der Welt und dem Betrachter. Dieses ästhetische Moment bezeichnete Lehnerer als freies Spiel zwischen subjektivem Empfinden und einem jeweiligen objektiven Weltbezug.