Die spezifische Architektur des Kunsthaus Bregenz ist Ausgangspunkt der Ausstellungen im Jubiläumsjahr: Der argentinische Künstler Adrián Villar Rojas beschäftigt sich im Sommer mit dem Beton des Hauses. Die Herbstausstellung gehört Peter Zumthor, der das Gebäude vor zwanzig Jahren erschuf.
Kunsthaus Bregenz | Adrián Villar Rojas | Peter Zumthor
- Publiziert am 1. Januar 2016
Vernarbter Zeuge aus der Meereswelt
Es sind totenstarre Ungetüme. Der argentinische Künstler Adrián Villar Rojas (*1980, Rosario, Argentinien) wurde mit überdimensionalen Skulpturen bekannt. Etwa ein Wal von 28 Metern Länge in einem Wald in Patagonien. Die herabfallenden Blätter der Bäume färben die Skulptur im rauen Herbstwetter in weiches Rostrot. Erschütternd ist der Eindruck, einen vernarbten Zeugen aus der Meereswelt in einem verlassenen Wald liegend vorzufinden, offensichtlich durch Orientierungsverlust und Entfremdung zu Tode gekommen. Villar Rojas beschäftigt sich mit Lebewesen vor der menschlichen Erinnerung. Riesige Knochen liegen als Teil der siebzig Skulpturen umfassenden Arbeit für die documenta (2013) in einem Park in Kassel, einzelne mit Seetang und Muscheln überzogene vorzeitliche Tiere stehen in den Gewässern vor Istanbul. Weiss glänzen ihre Körper in der Sonne, schwer ist die Last der Zeit. Villar Rojas’ Werke sind aus gegossenem Beton, sie füllen, ja verdrängen selbst die grössten Volumen. Das passt gut in das Kunsthaus Bregenz, das ja aus Gussbeton besteht. Sein Markenzeichen ist das besondere Licht, grosse skulpturale Gesten sind seine Stärke.
Architektur als intellektueller Stimmungsraum
Die Herbstausstellung 2017 wird im Jubiläumsjahr dem Architekten des Kunsthaus Bregenz Peter Zumthor gewidmet. Die Idee entstand bei einem Besuch in seinem Atelier in Haldenstein. Zumthor umgibt sich mit Architektur und einem mit Devotionalien, Teppichen, Bildern und Büchern angereicherten atmosphärischen Ambiente. Darunter Peter Sloterdijks Sphären-Trilogie, ein Buch, das die Geschichte der Umweltsensibilität erzählt, oder Gaston Bachelards Poetik des Raumes. In Vorträgen spricht Zumthor ausführlich über den Ort. Architektur ist für ihn mehr als nur Bauen, Raum mehr als nur ein geschlossenes Geviert. Er ist intellektueller Stimmungsraum, ist Ambiente, Kolorit und kreatives Milieu.
Durchdringung von Gelehrsamkeit, Kulturen, Erfahrungsreichtum und Weltwahrnehmung
Peter Zumthor lädt ein, seine Welt kennenzulernen: Was umgibt und erfreut den Architekten, was inspiriert ihn? Der Architekt richtet sich in seinem Werk als Künstler ein und lässt seine Gedanken- und Erlebenswelt Gestalt werden. Im Erdgeschoss laden ein Barbereich und eine Tribüne zu Musik und Lesungen ein, zudem werden Fotos seiner Arbeiten des Ateliers Zumthor gezeigt. Im ersten Obergeschoss können auf einer grossen Holzfläche Gespräche stattfinden, umgeben von Zeichnungen und Aquarellen Zumthors. Im zweiten Obergeschoss entfaltet sich Zumthors literarische Welt als Bibliothek mit etwa 50.000 Bänden. Ein üppiger Garten empfängt den Besucher im dritten Obergeschoss, vielleicht auch ein Teehaus. Wer diese Räume betritt, spürt die Durchdringung von Gelehrsamkeit, Kulturen, Erfahrungsreichtum und Weltwahrnehmung.