Zum achten Mal vergibt das Kunsthaus Baselland für ein Werk das grosse Aussenbanner für die Dauer eines Jahres. 2021 wird es durch das Künstlerpaar Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger bespielt. Bereits der Titel ihrer Arbeit spricht Bände: «Eine Augenübung zur Freude des Hauses». Die Kunst des Duos macht des Öfteren Freude, ohne dass sie dabei den Blick auf gesellschaftsrelevante Themen verlieren; oder sollte man sagen, dass sie gerade auf diese Art und Weise die wichtigen Dinge ansprechen?
Kunsthaus Baselland | Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger
- Publiziert am 22. März 2021
Gerda Steiner (* 1967, Ettiswil) und Jörg Lenzlinger (* 1964, Uster) arbeiten seit 1997 als Künstlerduo zusammen und leben und arbeiten in Langenbruck (BL). Sie waren an zahlreichen internationalen Gruppen- und Einzelausstellungen vertreten. Unter anderem nahmen sie 2003 an der Biennale in Venedig teil. Im Kunsthaus Baselland wurden ihre Arbeiten bereits verschiedentlich in Gruppenausstellungen vorgestellt, etwa im Rahmen der Ausstellung «Sehnsuchtsorte» (2018) oder in der von Eric Hattan kuratierten «Regionale 11».
Konzeptuelle Denkanstösse
Für die Jahreskarte des Kunsthaus Baselland 2021 haben die beiden eine Abbildung eines verletzten Fingers gewählt. Man mag auf die Verletzung fokussieren. Man könnte aber auch, so wie Steiner & Lenzlinger, den Blick auf etwas ganz anderes richten: Auf das Verheilen der Verletzung und unsere Kraft der Erneuerung; «Gönn dir eine frische Haut» heisst denn auch der Titel der Abbildung – nicht von ungefähr wählte das Künstlerpaar dieses Motiv mitten in Zeiten der Pandemie. 2018 luden sie anlässlich ihrer grossen Einzelausstellung «Too early to panic» zu einer Zeitreise im Museum Tinguely ein und 2013, im Kunstmuseum Chur, entstand im ehemaligen Bündner Naturhistorischen- und Nationalparkmuseum vor dessen Abriss ein gewaltiger, fantasiereicher Nationalpark, der das gesamte Gebäude verwildern liess. Gerade legen sie im benachbarten FRAC Alsace in Sélestat einen grossen Garten an, der zehn Jahre lang wachsen und gedeihen wird. In seiner Mitte vergruben sie einen Schatz, bestehend aus über 250 Schätzen aus der Bevölkerung von Sélestat und eingeladenen Freund*innen. Nach zehn Jahren wird er wieder ausgegraben und die gereiften Schätze ausgestellt.
«Du bist Natur»
In ihrer Wohn- und Arbeitsstätte in Langenbruck springen rund zwei Dutzend Hühner diverser Gattungen durch die Anlage, glücklich, so darf man behaupten. In den Gewächshäusern darf Grosses und Kleines, Bekanntes und Neues wachsen und gedeihen. «Du kannst gar nicht an die Natur heranrücken, du bist sie», betonten Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger vor einiger Zeit in einem Interview. «Die Natur steckt voll in dir drin, in jeder Pore, in jeder Zelle, in jeder Bakterie, in jedem Virus, es gibt kein Entkommen!»
Eine Augenübung zur Freude des Hauses
Das Künstlerduo bespielt den Aussenbanner des Kunsthaus Baselland und lädt damit die Besucher*innen erst einmal zu einer Sehübung ein, wie sie es nennen. Auf dem Banner liest sich diese als Anleitung dazu: Eine Augenübung zur Freude des Hauses: Nimm 5 m Abstand zum Bild und folge mit deinen Augen langsam der schwarzen Linie, ohne den Kopf zu bewegen. Einmal in Schwung geraten, bewegen sich die Augen also hin und her auf den Linien des grossen Banners, lassen zahlreiche Gedanken und Bilder zu, Bekanntes, Unbekanntes, verlieren sich, finden sich wieder, kommen an. Fast wie ein Blick durch ein Kaleidoskop, das sich, je nach dem wie man es dreht, immer wieder neu und fantastisch ändern kann. Mit etwas mehr Abstand eröffnet sich dann auch ein weiteres Bild hinter der Linienzeichnung, als deren Humus sozusagen. Ein grosses Wiesenstück, in deren Mitte sich die Struktur eines Samenstandes der Sonnenblume abzeichnet – und auch gleich das ganze Universum? Betrachter*innen dieses grossen Bildes stehen davor und mittendrin zugleich. Ein Bild als Anleitung zum Sehen, zum Denken, zum Handeln. Es sind freudige Einladung des Künstlerduos, den Blick zu weiten, vom Einzelnen auf das Ganze zu kommen, vom Ei auf das Huhn, von uns zum Universum.
Textgrundlage: Ines Goldbach