Mit grosser Neugier untersucht Baker seine Umwelt. Für seine erste Einzelausstellung, im Rahmen des 11. Manor Kunstpreis Kanton Zürich, zeigt er eine intime fotografische Langzeitstudie über Äpfel. Parallel dazu wird die kürzlich erhaltene Schenkung Nistplätze für Berührungen von Yves Netzhammer ausgestellt. Das frühe und zugleich bedeutende Werk des Künstlers verbindet die Tradition der Zeichnung mit den digitalen Bildwelten von heute.
Kunst Museum Winterthur | Brigham Baker | Yves Netzhammer
Der Manor Kunstpreis hat Yves Netzhammer zum Durchbruch verholfen, nun erhält Brigham Baker die Auszeichnung.
Brigham Baker
Die Beobachtung der Natur prägt die künstlerische Praxis von Brigham Baker (*1989). Er ist fasziniert von ihrer Diversität, den unzähligen Mikrosystemen und deren Fähigkeit sich laufend zu verändern und anzupassen. Demgegenüber stehen funktionale und logisch-mathematische Systeme, welche die Gesellschaft tiefgreifend verändern. Bakers Kunstwerke verbinden Natur und Kultur, die wir geneigt sind als konträr oder zumindest als dual wahrzunehmen. Seine Tätigkeiten als Imker und urbaner Gärtner bilden sowohl die Grundlage für die genaue Beobachtung von Tieren und Pflanzen und ihrer Selbstorganisation als auch deren Kultivierung. Oft verwendet er Materialien, manchmal sogar Pflanzen oder Mikroorganismen, an denen Zeit und Veränderung ablesbar sind. In einem kurzen poetischen Moment erleben die Betrachtenden so die erfinderische Natur und die Regulierung durch Kultur gleichzeitig. Gerade in Ausstellungssituationen zeigt sich jedoch auch die Dichotomie dieser beiden Systeme deutlich.
Natur als nicht-lineares System
Für seine erste Einzelausstellung in einem Museum, im Rahmen des 11. Manor Kunstpreis Zürich 2019, hat Brigham Baker eigens eine Fotoarbeit erarbeitet. Sie zeigt Nahaufnahmen von Äpfeln, während sie am Baum hängend reifen und langsam verfaulen. Aus der Langzeitstudie ist eine intime, autobiografisch gefärbte Arbeit entstanden, die sich mit Zeit, Veränderung und Vergänglichkeit auseinandersetzt. Dabei werden Anklänge an klassische Vanitas-Stillleben wachgerufen und zugleich unterlaufen. Auch der Titel der Ausstellung Schmetterlinge verweist sowohl auf das Genre der Stillleben als auch auf die Unvorhersehbarkeit von nicht-linearen dynamischen Systemen, wie sie klassischerweise in der Natur vorkommen.
Manor Kunstpreis Kanton Zürich
Der Manor Kunstpreis ist einer der wichtigsten Förderpreise des zeitgenössischen Kunstschaffens in der Schweiz. Der Preis wurde 1982 in Luzern ins Leben gerufen. Er wird von einer Fachjury jährlich in sechs Schweizer Städten verliehen, wobei sich Aarau, Basel, Biel, Chur, Genf, Lausanne, Luzern, Lugano, Schaffhausen, Sion, St. Gallen und Winterthur im Zweijahresrhythmus abwechseln. Ein Blick auf die Liste der Preisträger zeigt, dass der Manor Kunstpreis zum internationalen Durchbruch einer ganzen Reihe von Künstlern, wie zum Beispiel Luciano Castelli (Luzern 1984), Silvia Bächli (Aarau 1990), Marie José Burki (Genf 1993), Pipilotti Rist (St. Gallen 1994), Yves Netzhammer (Schaffhausen 1998), Christoph Büchel (St. Gallen 2000) oder Lena Maria Thüring (Basel 2013) beigetragen hat.
Yves Netzhammer
Nistplätze für Berührungen: Der poetische Titel bezeichnet jenen Ort familiären Aufwachsens und Zusammenseins in der Tierwelt und verbindet ihn zugleich mit der intimen Geste des Berührens. In der Kombination des Vertrauten klingen surreale Welten an, wie sie für das Schaffen des Zürcher Medienkünstlers Yves Netzhammer charakteristischer nicht sein könnten. Nistplätze für Berührungen, eine bedeutende frühe Installation des Künstlers, wurde 2006 im Rietberg Museum erstmals präsentiert und kürzlich als Schenkung dem Kunst Museum Winterthur übergeben. Sie wird nun im Kontext der Winterthurer Sammlung zu sehen sein und mit den ebenso verrätselten Interieurs von Vallotton und Bonnard in einen Dialog treten.
150 digitale Zeichnungen werden auf drei stoffbezogene Körper projiziert und verwandeln den Ausstellungsraum in einen magischen Ort. Raumskulptur und Zeichnungskabinett in einem, entwickelt sich in der Überblendung der einzelnen Zeichnungen eine filmartige Sequenz. In diesem frühen Werk manifestieren sich wesentliche Gestaltungselemente von Netzhammers reifem Schaffen.
Internationale Laufbahn
Seit Yves Netzhammers Teilnahme 2007 an der Biennale von Venedig wird das Schaffen des 1970 in Schaffhausen geborenen Künstlers weltweit wahrgenommen, wie Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen im Kunstmuseum Wolfsburg (2006), an der Kiew Biennale (2015) oder der Biennale von Shenzhen (2016/2017) belegen. Nistplätze für Berührungen markiert den Beginn seiner internationalen Laufbahn und verbindet in der Winterthurer Sammlung die reiche Tradition der Zeichnung mit den digitalen Bildwelten von heute.