Vor einem Jahr wurde die Galerie Stans im historischen Flury-Haus neu eröffnet, arttv war dabei und hat die Gründer:innen vorgestellt. Um zu sehen, was aus ihrem Projekt geworden ist, kehrten wir an den Ort zurück und fanden die wundervolle Ausstellung von Corinne Güdemann vor. Zum ersten Mal überhaupt sind Collagen der Schweizer Künstlerin zu sehen. Sie blenden zurück auf ihre frühen Begegnungen mit Kunst in der Kindheit.
Galerie Stans | Corinne Güdemann | Tag für Tag
In der Collage erforscht die Künstlerin ihren Zugang zur Malerei und im Selbstporträt ihr eigenes Abbild
Corinne Güdemann ist 1960 in Winterthur geboren. Nach dem Vorkurs und der Textilfachklasse an der Schule für Gestaltung Zürich studierte sie Malerei bei Arnulf Rainer an der Akademie der bildenden Künste Wien. Fünf Jahre war sie Assistentin für bildnerisches Gestalten bei Professor Peter Jenny an der Architekturabteilung der ETH Zürich. Seit 1994 ist sie freischaffende Künstlerin. Sie erhielt Stipendien und Werkbeiträge und realisierte Kunst und Bau-Aufträge. Ihre Werke sind in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten. Neben zahlreichen Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen engagiert sie sich im «Salon der Gegenwart», einem Zusammenschluss figurativer Malerinnen und Maler. Corinne Güdemann lebt und arbeitet in Zürich.
Silva-Bücher als Inspiration
Wer sammelte damals Silva-Bücher und hat gar noch selbst die dazu gelieferten Illustrationen eingeklebt? Die Bände über den Louvre, den Prado, die Flämische Malerei beeindruckten das Mädchen Corinne. Mit Schaudern und Angstlust verfolgte sie die Darstellungen von enthaupteten Märtyrern oder ihrer aufgespiessten Leiber. Aber sie weckten scheinbar auch das Interesse an der Kunst. Vorübergehend im Malen eingeschränkt, erinnerte sich die zweiundsechzigjährige Künstlerin an diese Reproduktionen und vermischte sie mit eigenen Bildvorlagen auf spielerische Art zu fantasievollen Collagen – ein Schauvergnügen!
21 Selbstporträts und Landschaften
Natürlich ist auch die Malerin Corinne Güdemann in der Ausstellung gebührend vertreten. Seit bald dreissig Jahren setzt sie sich mit ihrem Spiegelbild auseinander. Eine Auswahl von 21 Selbstporträts in Öl auf Holz gibt Einblick in den Prozess der stetigen Veränderung: eine spannende Zeitreise und eine Konfrontation mit dem eigenen Älterwerden. Auch Wandlungen des Malstils werden sichtbar. Neuste Landschaftsmalereien
lassen eintauchen in die aktuelle Ausdrucksweise der Malerin. Sie interessiert sich für Motive in Zwischenbereichen, im Niemandsland, hält Übersehenes mit der Kamera fest, um es im Atelier malerisch umzusetzen. Ihre Sujets sind häufig wie durch einen feinsten Schleier der Realität entrückt. Simon Maurer, der Leiter des Helmhauses in Zürich, meint dazu: «Die Malerin setzt ihr Staunen in Malerei um. In dieser vertieften Wahrnehmung verschmelzen Wirklichkeit und Traum.»
Wunderkammer
Schliesslich reagiert Corinne Güdemann auf den Ort der Ausstellung. Bei ihren Besuchen in Stans tauchte die reformierte Zürcherin ein in die barocke katholische Frömmigkeit und die Präsenz des Todes im Beinhaus, beim Rathausplatzbrunnen oder auf dem Friedhof. In einer Art Wunderkammer in der Ausstellung schliesst sich der Kreis der Auseinandersetzung mit der verrinnenden Zeit und der Endlichkeit. Hier wäre wohl auch Arnulf Rainer zuhause, ihr Professor beim Studium der Malerei an der Akademie der bildenden Künste Wien in den achtziger Jahren. Die Werke von Corinne Güdemann lohnen den Besuch in der Innerschweiz. Das historische Flury-Haus erweist sich als stimmungsvoller und wandelbarer Ort für die Präsentation von Kunst.
Text: Galerie Stans