Innerhalb seiner künstlerischen Forschung übersetzt er mit viel Präzision Alltagsphänomene wie zerquetschte und verlaufene Blumen, Früchte sowie Schnee von gestern in stimmungsvolle Bildmomente. Die Schau im Benzeholz ist Schmids bisher umfassendste Einzelausstellung, wobei er für das Haus selbst einen Umnutzungsvorschlag kreiert.
Benzeholz | Umnutzungsvorschlag
- Publiziert am 20. Juni 2022
Kosmologie des Alltags
Wenn wir an liegengebliebenen Schnee denken, mögen wir braune, matschige Materie vor Augen haben. Gerade dieser entlockt Lorenz Olivier Schmid poetische Bildmomente. Proben, die der Künstler an winterlichen Strassenrändern findet, lässt er in seinem Atelier auf Glasplatten schmelzen. Nach dem Verdunsten der Flüssigkeit bleibt der Strassenschmutz übrig, während das Tausalz auskristallisiert. Nicht nur den Schnee findet der Künstler in seiner Umgebung, auch das Rohmaterial für die Serie Vorgartenkosmologie – Beeren, die er unter Glas zerquetscht festhält. Dabei arbeitet Schmid mit analoger und digitaler Fotografie und mit dem Einsatz von Streiflicht – Licht, das einzig über die Glaskante auf das Objekt trifft. Über dieses Vorgehen wird auch der Umraum, bestehend aus Kratzern im Glas, Staubpartikeln oder Pilzmycelen auf der Fotografie festgehalten. Das Anstossen von natürlichen Prozessen, die in einem nächsten Schritt sich selbst überlassen werden, erstreckt sich über alle Arbeiten des Künstlers. Die daraus gewonnenen Abbilder erscheinen wie Einblicke in die Weite des Kosmos, Inseln auf offenem Meer, Unterwasserherbarien oder abstrakte Kartografien. Als Kontaktabzüge offenbaren sie zudem ein immenses Spektrum an Details, die es zu entdecken gilt.
Umnutzungsvorschlag
Im Benzeholz spielt Lorenz Olivier Schmid weiter mit der Idee der Eisblume. In der Herstellung von Ornamentgläsern ist die Eisblumierung als klassische Technik fest verankert. Die unebene, strukturierte Oberfläche wirkt, als ob Eiskristalle das Glas überziehen würden. Innerhalb des physikalischen Prozesses sind es jedoch Brüche, die das fraktale und poetisch anmutende Muster generieren, welche der Künstler auch hier mittels Kontaktabzüge festhält. Seine Tüftelmanie findet jedoch im obersten Stockwerk des Benzeholz ihren Höhepunkt. Modellartig kreiert Schmid einen Umnutzungsvorschlag für den Dachstock: Als gläsernes und eisblumiertes Gefäss lässt er das Abbild des Raumes wie ein Gewächshaus in Winterstarre escheinen und zwischen dekorativem Gegenstand und apokalyptischer Vorahnung oszillieren.
Abstrahierte Bildmomente
Mit seiner Kunst hält Lorenz Olivier Schmid natürliche Verläufe fest, wobei es die ästhetischen Untersuchungen sind, welche ihn interessieren. Worin erkennen wir Schönheit? So ist es die Frage nach Wahrnehmung und deren Definition, die sich stellt und welche der Künstler gleichzeitig mit feinem Humor unterläuft. Schmid macht sichtbar, was dem blossem Auge verborgen bleibt und überführt Alltägliches in ästhetisch aufgeladene, abstrahierte Bildmomente. Sich an der Schnittstelle von der Welt als Wissenschaft und der Welt als Bild bewegend, ist seine Arbeit von technischem Können und einem hohen Anspruch an künstlerische Perfektion geprägt.