Eine Kunst-Auktion, am 16. März 2024, soll zur Anfangsfinanzierung des Kunstateliers für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen beitragen. Gezeigt werden Kunstwerke von 80 Kunstschaffenden aus den Ateliers Living Museum Wil im Austausch mit Arbeiten von Kunstschaffenden aus dem Umfeld der Ausstellungs-Kurator:innen. Die vielfältige Mischung wird ergänzt durch Privatbestände, die ebenfalls zugunsten des Museums veräussert werden, zudem lädt Radiomann Eric Facon zu einem Kulturstammtisch ein.
Benefiz-Ausstellung für ein neues Living Museum im Toggenburg
- Publiziert am 29. Februar 2024
Im malerischen Lichtensteig lädt künftig das LIVING MUSEUM LICHTENSTEIG u.a. dazu ein, der Kunst psychisch beeinträchtiger Menschen zu begegnen.
Gedanken zum Projekt und zur Ausstellung von Marion Strunk
Wohin bleiben wir? Der Titel irritiert. Ein Grammatikfehler? Vielmehr ein Ausdruck existentieller Angst und Ungewissheit, der zunächst absurd erscheint. Auf poetische Weise rührt er an den Grundfesten des Daseins. Durch die Kollision von Richtungsänderung und Aufenthaltsverb entsteht eine taumelnde Sinneinheit, ein ungekannter semantischer Raum öffnet sich. «Wohin bleiben» kann weder vor noch zurück und drückt doch eine Sehnsucht nach etwas Unbekanntem aus. Denn bei näherer Betrachtung eröffnen sich Assoziationen, die auf Widersprüchliches, auf Ambivalentes und Herausforderndes verweisen, eben wie es die Begegnung von sogenannter «Outsiderkunst» und sogenannter «arrivierter Kunst» beabsichtigt. Diese Kombination zeigt an, dass die Abgrenzung der beiden Bereiche fraglich geworden ist.
So schwer wir uns heute mit den Ausdrücken tun mögen, in der Kunstgeschichte markieren sie einen Meilenstein auf dem Weg in die Moderne. «Outsiderkunst», eine künstlerische Bewegung, vom Maler Jean Dubuffet erfunden, der die Absicht verfolgte, alle Arten künstlerischer Produktion, die von Autodidakt:innen und/oder Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und Menschen am Rande der Gesellschaft hervorgebracht wurden, unter einem Namen zu vereinen – eine Bewegung, die darauf abzielte, einer bisher ungehörten Kunstform Stimme zu verleihen. Wenn es der Ausdruck auch suggerieren mag, diese Werke vereinen weder stilistische Gemeinsamkeiten noch eine klar definierte Zeitspanne. Die gesellschaftlich anerkannte Kunst ist den ästhetischen Bestimmungen ausgesetzt, bestenfalls kann sie dies zum Thema machen und die Bestimmungen als Herausforderung annehmen, denn Kunst reflektiert sich selbst und konfrontiert die Betrachter:innen mit den Zuschreibungen, Idealisierungen und gesellschaftlichen Botschaften. Für beide gilt also: Die traditionelle Wahrnehmung von Kunst herauszufordern, das ist ihr gemeinsamer Weg.
Wenn die «Outsiderkunst» bereits an der Documeta V und an der Biennale 2013 gezeigt wurde, wird deutlich, dass eine Hierarchisierung aufgehoben ist und beide Bereiche in einen offenen Kunstbegriff integriert werden. Die Festschreibungen lösen sich auf. Wohin? Das Wohin ist auch ein Weggehen und ein Weg. Weggehen von den Zuschreibungen und Hierarchisierungen, die diese Terminologien gleichermassen erfahren.
Was bleibt? Die Kunst. Ein Ausdrucksbedürfnis, das kreativ tätige Menschen in unterschiedlicher Weise entwickeln, sichtbar machen und zur Diskussion stellen. Die künstlerische Praxis ist zunächst einfach der Versuch, persönliche Sichtweisen vorzustellen, ein intensiver Wunsch, sein inneres Fühlen und Denken auszudrücken, ohne sich an vorgegebene Regeln und künstlerische Genres zu halten, aus den vertrauten Gewissheitsstrukturen des Alltags auszubrechen und Neues zu entdecken. Für sich selbst und für die Umwelt.
In der Versammlung künstlerischer Ansätze, wie diese Ausstellung es thematisiert, wird zu sehen sein, was künstlerische Arbeit will, worin sie sich unterscheidet, welche Wirkung die Entscheidung für ein Medium hat und wie sie es in ihrer Eigenart vermag, Bekanntes und Unbekanntes zu transformieren. Und wir, das sind die Künstler:innen, die mit ihren Arbeiten zeigen, was sie sehen und einen Dialog suchen mit denen, die sich auf ihr Sehen einlassen, also selbst sehen, was sie anschaut und suchen, was ihnen bleibt.