Anstatt sich ausschliesslich auf die Zerstörung zu konzentrieren, beleuchtet der Film das frühere Leben der Menschen in Gaza – als Unternehmer:innen, Musiker:innen, Doktor:innen oder Influencer:innen. Dies zeigt die Normalität und Vielfalt ihres Lebens vor dem Krieg und unterstreicht die Tragweite des Verlusts umso dramtischer. Trotz der schrecklichen Erlebnisse und des immensen Leids ist der Film auch eine Geschichte von Resilienz, Kreativität und der Suche nach Wegen zurück ins Leben.
QUI VIT ENCORE
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Der Schweizer Filmemacher Nicolas Wadimoff gibt den palästinensischen Geflüchteten eine Stimme und ein Gesicht.
Die Karriere des Schweizer Regisseurs Nicolas Wadimoff, geboren 1964 in Genf, ist geprägt von einem tiefen Engagement für soziale und politische Themen, insbesondere in der Region des Nahen Ostens.
1988 schloss er sein Filmstudium an der Université du Québec à Montréal ab. Er engagierte sich in der Genfer Kulturszene, unter anderem als Mitbegründer des unabhängigen Kulturzentrums L’Usine. Sein internationaler Durchbruch gelang ihm 1997 mit dem Spielfilm CLANDESTINS, der weltweit Festivalpreise gewann. Im Jahr 2003 gründete er die erfolgreiche Produktionsfirma Akka Films.
Ein wesentlicher Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf Palästina und Gaza. Sein Dokumentarfilm AISHEEN (STILL ALIVE IN GAZA) wurde auf der Berlinale 2010 mit dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet. Wadimoff wechselt gekonnt zwischen Fiktion und Dokumentation, stets mit dem Ziel, unterrepräsentierten Regionen und ihren Geschichten eine kraftvolle Stimme zu geben. Für SPARTIATES erhielt er 2015 den renommierten Prix de Soleure, und sein Film L’APOLLON DE GAZA eröffnete 2018 die Kritikerwoche in Locarno. Wadimoff ist bekannt für seine humanistische Perspektive, die sich auch in seinem neuesten Werk, dem hochgelobten Dokumentarfilm QUI VIT ENCORE, widerspiegelt.
QUI VIT ENCORE | REZENSION
Ein humanes Meisterwerk
Der Dokumentarfilm QUI VIT ENCORE (Wer noch lebt) von Regisseur Nicolas Wadimoff überzeugt durch seinen zutiefst humanistischen Ansatz und seine Fähigkeit, Empathie zu wecken. Das Werk rückt neun palästinensische Flüchtlinge in den Vordergrund, die dem Konflikt in Gaza entkommen sind und ihre persönlichen Geschichten teilen.
Die Stärke des Films liegt in seiner Intimität. Die Protagonisten erzählen sehr persönliche Geschichten, die es dem Publikum ermöglichen, eine Verbindung zu ihnen als individuelle Menschen mit Hoffnungen, Träumen und Verlusten aufzubauen. Anstatt sich ausschliesslich auf die Zerstörung zu konzentrieren, beleuchtet der Film das frühere Leben der Menschen in Gaza und zeigt die Normalität und Vielfalt ihres Alltags vor dem Krieg.
Ein besonderer Clou ist die filmische Umsetzung: Die Entscheidung, ohne Archivbilder aus Gaza zu arbeiten, war mutig und effektiv. Stattdessen schafft Wadimoff einen einzigartigen, fast theatralen Raum der Zeugenschaft. Dort zeichnen die Flüchtlinge ihre früheren Stadtteile mit Kreide auf den Boden, um ihre Erinnerungen zu verarbeiten. Dieser Ansatz ermöglicht es, die Erfahrungen der Betroffenen auf eine Weise nachzuvollziehen, die über die üblichen Nachrichtensendungen hinausgeht.
Es wird deutlich, wie die Protagonisten durch das Teilen ihrer Geschichten versuchen, zu sich selbst zurückzufinden und keine Geister mehr zu sein. Trotz all des Leids ist der Film auch eine kraftvolle Geschichte von Resilienz und der unermüdlichen Suche nach dem Leben.
Fazit: QUI VIT ENCORE ist ein tief berührendes, kraftvolles und humanistisches Werk. Es zeigt die Menschlichkeit, die trotz humanitären Krisen weiter existiert. Die grosse emotionale Resonanz auf Festivals, wie der Gewinn des «The Cinema & Arts Award 2025» in Venedig, unterstreicht die erzählerische Kraft und gesellschaftliche Relevanz des Films.
Für uns gesehen hat den Film Felix Schenker.