Pierre-Yves Walder verspricht eine NIFFF-Ausgabe, bei der feministische und ökologische Erzählungen noch mehr Raum erhalten als bisher und die das Schweizer Filmschaffen weiterhin prioritär behandelt. Weiter verrät er seine Strategie, wie er auch einem unkundigen Publikum Mittel anbieten will, fantastische Kultur zu entdecken.
NIFFF 2024 - Drei Fragen an Pierre-Yves Walder
- Publiziert am 28. Juni 2024
- WELCHES SIND DIE THEMATISCHEN LEITLINIEN DER 23. AUSGABE?
Dieses Jahr sind es vorwiegend feministische und ökologische Geschichten, die ein vielstimmiges und engagiertes Programm ausmachen. Sie reichen vom Intimen bis zum Spektakulären und positionieren den fantastischen Film mehr denn je als eine Kunstform, die wesentlich dazu beiträgt, soziale und politische Umwälzungen unserer Zeit auszudrücken. Die Carte Blanche unseres Ehrengastes Asia Argento sowie der Schweizer Drag Queen Moon stehen ebenfalls für Vielfalt und Engagement.
Die Frage nach der Umwelt in fantastischen Universen steht – im Film, aber auch ausserhalb – oft im Mittelpunkt von Erzählungen, daher vertiefen wir das Thema mit einer Diskussion zu ökologischen Vorstellungswelten, bei NIFFF EXTENDED. Saul Pandelakis, SF-Autor und multidisziplinärer Künstler mit Spezialisierung auf Queer Design, zudem auch Mitglied der internationalen Jury dieser 23. Ausgabe, nimmt daran teil. Er steht auch für ein öffentliches Gespräch über seine Arbeit zur Verfügung.
Zudem gewichten wir das Schweizer Filmschaffen weiterhin prioritär, mit unserem Kurzfilmwettbewerb (SWISS SHORTS) und mit AMAZING SWITZERLAND, welches dieses Jahr eine neue Sektion umfasst (AMAZING SCHOOLS), ein Programmblock mit einer Auswahl an Filmen aus Schweizer Film- und Kunstschulen (ECAL, HEAD, ZHdK, HSLU), gedreht von neuen Talenten des Schweizer Films. Das Schweizer Game Design würdigen wir mit einem Dialog zwischen in- und ausländischen Spiel-Entwickelnden, der lokale und internationale Innovation stärker miteinander vernetzen soll. Und alle, die es helvetisch-nostalgisch mögen, erwartet ein Gespräch über einen Hoax aus den 70er-Jahren, frei nach Orson Welles. Das Material stammt aus dem RTS-Archiv, dem wir seit vier Ausgaben alljährlich eine Plattform bieten.
- DIE LETZTEN ZWEI JAHRE STANDEN DIE RETROSPEKTIVEN «SCREAM QUEER» UND «FEMALE TROUBLE» FÜR STÄRKER GESELLSCHAFTLICH VERANKERTE GEDANKEN ZUM KINO. FÜHRT EAT THE RICH DIESEN ANSATZ FORT?
Das Retro-Programm EAT THE RICH macht tatsächlich keine Ausnahme und verfolgt ebenso wie zuvor FEMALE TROUBLE und SCREAM QUEER das Ziel, zu erforschen, wie ein gesellschaftliches Thema im Genrekino verhandelt wurde und wird, und wie sich solche Darstellungen im Lauf der Zeit verändern. EAT THE RICH fokussiert sich darauf, wie Eliten wahrgenommen werden, und das Festivalpublikum wird von unmissverständlichen bis zu metaphorischen Varianten allerlei Facetten entdecken. Begleitend zur Filmreihe findet am Mittwoch, 10. Juli 2024 um 13:30 Uhr eine Podiumsdiskussion statt: THE RICH GAZE IN GENRE CINEMA. Mit der Journalistin Judith Beauvallet (Demoiselles d’Horreur) vertiefen wir das Thema Klassenkampf im Genrefilm und untersuchen die Evolution politischer Botschaften im Kino.
- ZIEHEN DIESE RETROSPEKTIVEN EIN NEUES PUBLIKUM AN?
Das Festival hat zwei Jahre in Folge einen Publikumsrekord aufgestellt und mit der Ausgabe 2023 die Marke von 60’000 Festivalbesuchenden überschritten. Dabei steht fest, dass die Retrospektiven neue Menschen anziehen, die sich stärker von sozialen Themen angesprochen fühlen als vom Genrekino per se. Gleichzeitig kommen aber auch unsere Aficionados auf ihre Kosten, und zwar nicht nur in den Hauptsektionen, sondern auch in den Sonderprogrammen. Wer fantastische Kultur mag, wird sich doch nicht vor den Klassikern verschliessen!
Betonen möchte ich zudem, dass wir abgesehen von den Retrospektiven auch an der Zugänglichkeit des Programms arbeiten. Im Programmheft und auf der Website findet sich eine Zusammenstellung: HÜHNERHAUT JA; TRIGGER NEIN. Sie ist für all diejenigen gedacht, die Kinobesuche meiden, weil sie bestimmte Darstellungen fürchten. Das Genrekino ist bei der breiten Öffentlichkeit nach wie vor mit Stereotypen behaftet, und eine der vielen Aufgaben des Festivals besteht darin, auch dem unkundigen Publikum Mittel anzubieten, fantastische Kultur zu entdecken. Diese Selektion hat sich 2023 als ein wirksames Instrument erwiesen, daher führen wir das weiter.