So könnte man die Story des Films zusammenfassen, denn die Bombe haben nicht Islamisten gelegt, sondern der smarte, sympathische Karl und der ist Neonazi. Regisseur Christian Schwochow will mit «Je suis Karl» auf ein neues Phänomen aufmerksam machen. Nazis die hipp sind, modern, gestylt, redegewandt. Das ist interessant. Trotzdem kommt der Film nicht nur gut an. «Ein boulevardesker Polit-Porno für simple Gemüter» wie Christian Klosz von filmpluskritik.com meint, ist der Film aber dann doch nicht
Je suis Karl
arttv Rezension
arttv.ch folgt dem Prinzip der positiven Selektion. Wir empfehlen Ihnen Filme, von denen wir möchten, dass Sie diese gesehen haben. Es gibt aber auch unsere Ja-Aber-Empfehlungen. «Je suis Karl» ist so ein Film. Ja: Weil sich die junge Schweizer Schauspielerin Luna Wedler sprichwörtlich «die Seele aus dem Leib» spielt und in der Rolle als Maxi einfach grossartig ist. Grund genug, sich die 126 Minuten ins Kino zu setzten, die «Je suis Karl» von Christian Schwochow (Deutschstunde) dauert. Auch das Phänomen an sich, dass sich eine rechte Szene entwickelt, die nicht den gängigen Vorstellungen von Hakenkreuz, Glatze und Bomberstiefeln folgt, sondern adrett, medial gewandt als Hipsterbewegung auftritt, ist interessant. Aber: Schwochows Film packt viel zu viel in seine Geschichte und handelt das Phänomen der Neuen Rechten zu simpel ab. Als Figur ist Maxi schrecklich naiv, was den Plot unglaubwürdig macht und die ganze Ästhetik des Films ist zu gestylt, zu aufdringlich, mit zu viel Symbolik zugekleistert. Das ermüdet! Felix Schenker
Zum Film
Irgendwo in Berlin. Nicht irgendwann – heute. Ein Postbote bringt ein Paket, kurz danach ist alles anders. Ein Terroranschlag trifft eine Familie ins Mark. Maxi, die ihre Mutter, die Brüder und ihr Zuhause verloren hat, ist tief verunsichert, versucht aber nach vorne zu schauen. Doch nichts scheint zu funktionieren. Ihr Vater, Alex, ist genauso traumatisiert wie sie. Die Gewissheiten der Vergangenheit sind zerstört und die Trauer verdunkelt alles. Da tut es gut, einen anderen jungen Menschen zu treffen: Karl, der Maxi aus ihrer Lähmung befreit und sie auffordert, die Angst zu besiegen. Er hat ein Treffen europäischer Student*innen organisiert, die gemeinsam nach Lösungen für die katastrophale Lage des Kontinents suchen. Die Aufgabe, die er Maxi dabei zuweist, könnte den Ausschlag für das Gelingen eines grossen Plans geben. Maxi tanzt mit Karl auf Messers Schneide. Heute in Berlin, morgen in Prag, bald in Strassburg und schliesslich in ganz Europa. «Je suis Karl» – eine Machtergreifung.
Text: Berlinale
Weitere Stimmen
«‹Je suis Karl› ist zu plakativ und im finalen Drittel zu platt – auch wenn es sehenswert ist, wie die grossartige Luna Wedler sich einmal mehr die Seele aus dem Leib spielt. … Der Film hat ein ehrenvolles Anliegen und eine herausragende Hauptdarstellerin – aber aufgrund der nur selten überzeugenden Umsetzung auch ein massives Glaubwürdigkeitsproblem, was hier gleich doppelt schwer wiegt, weil es die Schlagkraft der identitären Bewegung fast schon fahrlässig verharmlost.» – Björn Becher, Filmstarts.de | «Plump, laut, schrill und äusserst banal: Ein Film für Menschen, die nicht denken (wollen oder können) und kein Problem damit haben, sich durch Leid unterhalten zu lassen. Dem Porträt der neuen Rechten in Europa fehlt es völlig an Tiefgang und ernsthaftem Interesse an einem realen, besorgniserregenden Phänomen, wodurch der diskursive Beitrag dazu gleich null ist. Ein boulevardesker Polit-Porno für simple Gemüter.» – Christian Klosz, filmpluskritik.com | «‹Je suis Karl› überzeugt vor allem als genaues Porträt der Neuen Rechten, die mit moderner Symbolik und einem lockeren Lifestyle ihre Absichten verschleiern. Hier agieren keine strammen Neonazis mit Glatzen und Springerstiefeln, vielmehr wirkt der Kongress so sexy und trendy wie ein Influencer-Treffen – Gin-Tasting inklusive.» – Cornelis Hähnel, cineman.ch | «Schwochow deutet in ‹Je suis Karl› die reale Ausbreitung des Rechtsradikalismus in Europa aus zu einer Dystopie, aber ohne die bekannten Bilder von Glatzen, Bomberjacken und Nazi-Insignien, die man üblicherweise damit assoziiert. Sein Gedankenexperiment führt vor, wie einfach sich Ängste schüren lassen, wie leicht Verführung funktioniert, wenn man es nur schlau genug anstellt.» — Denise Bucher, NZZ