Die Zürcher Schauspielerin begeistert sei längerer Zeit durch ihr Leinwandpräsenz: 22 Filme seit 2015 sind erschienen. An der Seite von Corinna Harfouch überzeugte sie in «Was man von hier aus sehen kann» (2022) und als Max Frischs Geliebte in «Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste» (2023). In der Literaturverfilmung JAKOBS ROSS verkörpert sie Elsie, eine Magd Ende des 19. Jahrhunderts, die sich von gesellschaftlichen Zwängen zu befreien versucht. Rolf Breiner hat Luna Wedler getroffen.
JAKOBS ROSS - Interview Luna Wedler
- Publiziert am 15. Januar 2024
«Elsie ist positiv kämpferisch und besitzt diese Lebenslust, dieses warme Gefühl. Als ich sie gespielt habe, hat mir das sehr gutgetan.» - Luna Wedler
Luna Wedler
Geboren 26. Oktober 1999 in Zürich, Sternzeichen Skorpion
2016–2018 European Film Actor School in Zürich
Erste Hauptrolle: «Blue My Mind» (2017), Schweizer Filmpreis 2018
2018 «Das schönste Mädchen der Welt»,
Günter-Rohrbach-Filmpreis (Saarland), New Face Award (beste Nachwuchsschauspielerin)
2021 Nomination für Deutschen Filmpreis («Je suis Karl»)
Filme (Kino und TV)
22 Filme seit 2015 inklusive «Jakobs Ross»
Mit Luna Wedler sprach Rolf Breiner
Ich habe gelesen, dass du den Roman «Jakobs Ross» von Silvia Tschudi mehrfach gelesen hast. Vor dem Filmengagement?
Luna Wedler: Vor dem Dreh hatte mir Katalin Gödrös von dem Buch erzählt. Ich kannte es vorher nicht und habe es mir besorgt. Es ist speziell in der Sprache, ich musste es wegen der Dialektausdrücke manchmal laut lesen.
Musstest du dich für die Rolle der Elsie bewerben?
Ich habe mit Katalin bereits einmal gedreht und zwar eine Folge der Fernsehserie «Der Bestatter» (2016). Da haben wir uns kennengelernt, und später hat sie mich gefragt, ob ich an der Elsie Interesse hätte. Ich durfte das Drehbuch lesen und war begeistert.
Du warst also erste Wahl …
Ja, das schon!
Der Film ist ein Sozialdrama, das vor 150 Jahren spielt, aber auch ein Liebesfilm. Elsie liebt und lebt mit der Musik …
Es freut mich sehr, dass du es so verstanden hast. Ich hatte Bedenken, dass die Leute denken, es ging wieder nur um Männer.
Eintauchen ins 19. Jahrhundert. Da muss man auch die geeigneten Drehplätze oder Studios finden. Der Film wurde im Tessin gedreht, richtig?
Genau, im Val Bavona. Das war spannend, die Handlung spielt um 1870, und wir haben Häuser in den Bergen gesucht. Der Drehort war so klein und abseits, da musste das Material teilweise mit dem Helikopter transportiert werden.
Wie hast du dich auf deine Rolle vorbereitet?
Ich empfinde es extrem schwierig, in vergangene Zeiten zu reisen. Wir wissen nicht genau, wie es damals wirklich war. Katalin hat uns vorbereitet: Wir, also Valentin und ich, waren zehn Tage im Toggenburg in einer Hütte, haben intensiv geprobt und gearbeitet. Wir waren auf einem Bauernhof, sind um 4 Uhr aufgestanden, haben gemolken, geheut und diese harte körperliche Arbeit erprobt und gespürt.
Die Autorin Silvia Tschui spickt ihren Roman mit vielen Schweizer Ausdrücken wie beispielsweise Flättere (Ohrfeige). Wie seid ihr, bist du als Zürcherin sprachlich damit umgegangen?
Ich habe für den Film Berndeutsch gelernt. Wir haben diesen Dialekt gewählt, weil es sich gut schweizerisch anhört. Die Sprache war für mich nochmals ein Kostüm, die mir half, diese Figur zu verkörpern
Wie würdest du Elsie charakterisieren?
Sie ist sehr neugierig, auch ein bisschen tollpatschig und frech. Sie ist sehr sensibel und kämpferisch, eine rebellische Frau. Die Liebe zur Musik trägt sie, da fühlt sie sich wohl und aufgehoben. Der Gesang ist ihr wichtig und überkommt sie wie eine Naturgewalt. Sie ist eine ehrliche, sehr warme und moderne Person für diese Zeit.
Elsies Lebenselixier ist die Musik, ihre Handorgel, ihr Gesang? Wie hast du dich fit gemacht?
Ich hatte Unterricht und durfte mit meinem Gesangscoach Martina Linn, einer tollen Musikerin, arbeiten. Ich singe selber – bis auf ein paar Teile, die sehr hoch sind und wo meine Stimme nicht reichte. Singen ist nicht so einfach, man macht sich nackig. Das Singen kommt ja von innen. Wir haben sehr viele Stunden im Studio verbracht, mir war es wichtig, meine Stimme einzubringen.
Im Buch sind einige Liederverse zu finden. Habt ihr die übernommen?
Wir haben eigene Texte gemacht.
Max, der jenische Musiker, inspiriert Elsie, bestärkt sie, sich frei zu machen.
Es ist die Verbindung zur Musik. Er öffnet ihr die Augen, als sie beispielsweise im Stall Musik machen.
Das Buch geht weiter als der Film, der Film schwächt ab.
Das Buch ist viel brutaler.
Gefällt dir das Filmende?
Ja, Elsie findet sich, wird ihren Weg machen. Im Unterschied zum Buch haben wir uns auf die Beziehung von Elsie und Jakob fokussiert. Es gibt eine Verständigung, Jakob bringt Elsie ihr Schwyzerörgeli zurück. Ein Dilemma für Elsie, die nun Jakob, ihr Kund und ihr Örgeli hat. Der Ausgang des Films ist für Elsie hoffnungsvoll.
Der Film beschreibt eine Emanzipation …
Ich würde Selbstverwirklichung sagen. Elsie fühlt sich eingesperrt, möchte sich befreien und wird immer wieder vom System eingeholt und eingefangen. Als Frau darf sie sich zu dieser Zeit nicht ausleben.
Was war die grösste Herausforderung bei dieser Filmarbeit?
Das Singen und die Zeit nachzufühlen und dabei aus der Komfortzone herauszukommen.
Bist du zufrieden mit dir und dem Film?
Es war ein tolles Team, und der Film bedeutet mir sehr viel. Elsie ist positiv kämpferisch und besitzt diese Lebenslust, dieses warme Gefühl. Als ich sie gespielt habe, hat mir das sehr gutgetan.
Du konntest in letzter Zeit markante Rollen spielen, beispielsweise in 2022 in «Was man von hier aus sehen kann» an der Seite von Corinna Harfouch und zuletzt als Geliebte von Max Frisch im «Ingeborg Bachmann»-Drama. Was sehen wir demnächst?
Ich habe vor einigen Wochen den Film «Marianengraben», eine Romanverfilmung mit Edgar Selge, gedreht Eine Geschichte von Jasmin Schreiber über Trauer und Verlust. Dann gibt noch den Schweizer Film «Der Landesverräter», über Ernst Schrämli, der Militärgeheimnisse an die Nazis verkauft hat, aufflog und hingerichtet wurde. Unter anderen spielen Fabian Hinrichs, Robert Hunger-Bühler und Stefan Gubser mit.