Die gebürtige Zürcherin und Wahl-Berlinerin Katalin Gödrös (SONGS OF LOVE AND HATE) kehrt mit dem Spielfilm JAKOBS ROSS filmisch in die Schweiz zurück. Ihre Romanadaption mit Luna Wedler und Max Hubacher in den Hauptrollen erzählt eine moderne Beziehungs- und Emanzipationsgeschichte nach dem Bestseller von Silvia Tschui.
JAKOBS ROSS
Synopsis
Die musikalisch hochbegabte Magd Elsie träumt von einer Karriere als Musikerin. Kein leichtes Unterfangen in der Schweiz des 19. Jahrhunderts, wo nebst der festen sozialen Ordnung auch Gewalt und Aberglaube herrschen. Als Elsie vom Hausherr ungewollt schwanger wird, wird sie mit dem Rossknecht Jakob zwangsverheiratet und auf eine ärmliche Pacht abgeschoben. Jakob hat nur einen Traum: Er will ein eigenes Ross und Fuhrmann werden. Elsie fügt sich vermeintlich ihrem Schicksal – bis der Jenische Rico auftaucht, der mit seiner Musik Elsies Traum nährt.
Rezension
Von Madeleine Hirsiger
Es ist ein Drama erster Güte, das uns die Schweizer Regisseurin Katalin Gödrös mit ihrem neusten Spielfilm bietet. An den gleichnamigen Roman von Silvia Tschui angelehnt, nimmt sie uns mit ins 19. Jahrhundert, wo die einfachen Mädchen Mägde und die Buben Knechte waren. Die junge Elise (Luna Wedler) schruppt also bei den Herrschaften auf den Knien Holzböden und kann dabei nicht anders: sie muss singen. Das wird ihr immer wieder verboten – die Herrschaften bräuchten Ruhe. Bis Fräulein Sophie anreist, die Tochter des Fabrikanten, musikalisch gebildet und eine gute Geigerin. Sie erkennt sofort das Potenzial von Elsie und will sie in die Musikakademie nach Florenz nachkommen lassen. Ihr Vater werde ihr das Stipendium bezahlen, das sei ein Klacks für ihn. Und hier ist auch das Potenzial der Protagonistin zu sehen: Die 24-jährige Luna Wedler kann nicht nur wunderbar singen, sie beherrscht auch die ganze Mimik, die für diesen doch eher wortkargen Film nötig ist.
Es kommt anders
Fräulein Sophie geht schon mal Richtung Süden vor, Elsie bleibt zurück, von einem Stipendium ist keine Rede mehr. Herhalten muss sie, mehrmals wird sie vom Hausherrn vergewaltigt, wird schwanger und von ihrem Peiniger zwangsverheiratet. Jakob (Valentin Postlmayr) ist ein anständiger Kerl, der von nichts anderem träumt als von einem eigenen Ross und einer Kutsche. Zusammen verlassen sie mit einer Kuh an der Schnur das Anwesen Richtung Voralpen, wo sie in einem Steinhäuschen (Rustico) hausen und mit Nichts ein neues Leben beginnen. Nur das Singen hat Elsie mitgenommen, überall singt sie, fällt auf, auch in der Kirche, was der Pfarrer gotteslästernd findet. Und dann hilft ihr eine Frau abzutreiben, mit Hausmittelchen, was Jakob wütig macht, wollte er doch mit dem Kind den Fabrikanten erpressen.
Leidenschaftliche Wendung
Fahrende kommen ins Dorf, Rico spielt Handörgeli (Max Hubacher), wie Elsie auch, sie singt mit ihm, die beiden freunden sich an – mehr noch. Und die Erzählung erhält eine weitere Dynamik. Eigentlich möchte Elsie mit der Truppe mitziehen, in die weite Welt hinaus, weg von diesem armseligen Leben. Doch einige Bauern bekommen Wind von der Freundschaft der beiden und gehen brutal auf die Fahrenden los. Elsie bezeugt ihr bestialisches Tun und es bricht ihr das Herz. JAKOBS ROSS ist ein starker, zuweilen heftiger Film, versehen mit allen Ingredienzen, die es für dieses Drama braucht. Katalin Gödrös zeichnet die Figuren glaubwürdig. Dazu wird die Hauptdarstellerin mit einer guten Portion Selbstwillen ausgestattet, was in diesem Kontext eine Wohltat ist. Und sie nimmt eine Thematik auf, die wohl noch nicht ganz aus der Welt geschaffen ist: der Missbrauch von Hausangestellten. Das alles führt sie in grandiosen Bildern (Kamera: Sebastian Edschmid) und einer kohärenten Geschichte vor.
Fazit: Hier war eine hochprofessionelle Crew am Werk, mit überzeugenden Darsteller:innen und einer Geschichte aus vergangenen Zeiten, die fasziniert und Parallelen zur heutigen Welt aufzeigt. Ein Kinogenuss.