Emma Benestan schöpft aus den Traditionen ihrer Jugend für einen Film mit emanzipatorischem Gestus an der Grenze zwischen Western und Genrefilm. In der Hauptrolle überzeugt Oulaya Amamra. Im Interview erzählt sie, wie es ihr gelungen ist, in eine Welt einzutauchen, die ihr völlig fremd war und dass Nedjmas Schrei am Ende kein Schrei der Angst, sondern ein Schrei der Macht, der Wut ist.
Interview Oulaya Amamra | ANIMALE
«Stiere machen mit eigentlich Angst. In meiner Kindheitserinnerung habe ich sie mit Kraft und Männlichkeit gleichgesetzt, aber nie mit Sanftheit.»
ANIMALE | SYNOPSIS
Die 22-jährige Nejma (Oulaya Amamra) arbeitet auf einer Manade und trainiert, um das nächste Camargue-Rennen zu gewinnen: ein Wettbewerb ohne Tötung, bei dem ein Stier in der Arena gegen einen anderen antritt, um ihm die Attribute auf seinen Hörnern zu entfernen. Während die junge Frau darum kämpft, ihren Platz in dieser von Machismo geprägten Umgebung zu behaupten, wecken mysteriöse Todesfälle, die einem wilden Tier zugeschrieben werden, die Ängste der Bevölkerung.
Oulaya Amamra (* 12. November 1996 in Viry-Châtillon) ist eine französische Schauspielerin und die jüngere Schwester der Regisseurin Houda Benyamina (* 1980). Oulaya Amamra besuchte zunächst eine katholische Privatschule und erlernte klassischen Tanz. Als ihre Schwester im Jahr 2006 den Verein 1000 Visages gründete, der die Diversität in der Filmkunst fördert und unter anderem Künstler:innen aus Randgruppen die Umsetzung ihrer Werke ermöglicht, half Amamra bei den Dreharbeiten mit. Im Alter von 12 Jahren begann sie Theater am MJC Jean Mermoz in ihrer Heimatstadt zu spielen und nahm an verschiedenen Castings teil.Sie trat in ersten Kurzfilmen auf, darunter LE COMMENCEMENT von Guillaume Tordjman, BELLE GUEULE von Emma Benestan und UN MÉTIER BIEN von Farid Bentoumi. Im Fernsehmehrteiler DREIMAL MANON übernahm sie 2014 die Rolle der rebellierenden Jugendlichen Yaël. Ihren Durchbruch erlebte Amamra 2016 als rebellische Dounia im Film DIVINES, bei dem erneut Benyamina Regie führte. Amamra nahm im Vorfeld unter anderem Boxunterricht und änderte ihren Kleidungsstil, um der Figur näherzukommen. Sie setzte sich schliesslich gegen 3000 Mitbewerberinnen durch und übernahm neben Déborah Lukumuena die Hauptrolle. Für ihre Darstellung der Dounia, die im Drogengeschäft gross rauskommen will, gewann Amamra 2017 einen César als Beste Nachwuchsdarstellerin und einen Prix Lumières, ebenfalls als Beste Nachwuchsdarstellerin.
Mit Oulaya Amamra sprach Ondine Perier
Dies ist Ihre dritte Zusammenarbeit mit der Regisseurin Emma Benestan. Wie kam es dazu?
Ich bewundere die Arbeit von Emma sehr. Wir haben uns beim Casting für ihren ersten Kurzfilm kennengelernt. Ich habe mit 15 Jahren auch einen Kurzfilm geschrieben und diesen gedreht. Emma hat ihn gesehen und der Film hat sie dazu inspiriert, mit mir Probeaufnahmen zu machen. Die Chemie zwischen uns stimmte sofort! Wir sind auch im Leben sehr eng zusammengewachsen und es ist immer ein Vergnügen, mit ihr zu drehen! Ich würde sagen, es ist künstlerische Liebe auf den ersten Blick, die uns verbindet.
Ihre erste Reaktion, nachdem Sie das Drehbuch gelesen haben?
Ich war zunächst sehr aufgeregt, aber auch sehr neugierig, weil mir die Welt, in der der Film spielt, völlig fremd war. Ich kannte die Camargue-Rennen nicht, die sich dahingehend von Stierkämpfen unterscheiden, als es keine Tötung der Tiere gibt. Stiere machen mit eigentlich Angst. In meiner Kindheitserinnerung habe ich sie mit Kraft und Männlichkeit gleichgesetzt, aber nie mit Sanftheit.
Nejma nimmt die ganze Gewalt des Stiers in sich auf, um sich zu rächen. Wie war das für Sie?
Ich habe diese Wut total gespürt. Der Stier strahlt eine Aura aus: Er schaut einem in die Augen und vermittelt diese Kraft, die mir geholfen hat, sie bei mir selber zu finden. Da ist aber auch ein weisses Pferd, das Nedjma zuhört, um sie zu beschützen. Das war auch real der Fall. Man kann solche Szenen nicht nachstellen. Sie finden einfach statt und die Kamera fängt diese magischen Momente ein. Nedjmas Schrei am Ende ist kein Schrei der Angst, sondern ein Schrei der Macht, der Wut. Sie drückt damit aus, dass sie die Seite wechseln wird und muss.