INSHALLAH A BOY schaffte es als erster Film aus Jordanien ans Filmfestival in Cannes und wurde ins Oscarrennen geschickt. Inspiriert von wahren Begebenheiten, inszeniert Al Rasheed ein fesselndes Sozialdrama über fehlende Gleichberechtigung und Klassenunterschiede. Einfühlsam folgt er seiner Heldin in einem Befreiungskampf, der ihr viel psychologisches Geschick abfordert.
INSHALLAH A BOY
Ein starkes Debüt über den Kampf einer mutigen Frau gegen das allmächtige Patriarchat in Jordanien.
INSHALLAH A BOY | Synopsis
Nawal und Adnan leben in einem einfachen Viertel Ammans und wünschen sich ein zweites Kind, ein Geschwister für die kleine Noura. Als Pflegerin bei einer wohlhabenden Familie trägt die junge Mutter wesentlich zum Unterhalt der Familie bei. Nachdem ihr Mann unerwartet verstirbt, beginnt ihr Schwager Rifqi erst sanft, dann hartnäckig Anspruch auf ihre Wohnung zu erheben. Selbst wenn Nawal diese mitfinanziert hat, kann er laut jordanischem Erbrecht einen Teil der Hinterlassenschaft beanspruchen. Angesichts Nawals entschlossenem Widerstand will Rifqi den Richter davon überzeugen, dass sie ihren Mutterpflichten nicht nachkommen kann. Nur eine Sache kann sie noch retten: ein Sohn, der das Erbe seines Vaters antritt.
INSHALLAH A BOY | Stimmen
«Ganz grosses feministisches Kino voller Wendepunkte und pointierter Dialoge und mit der stärksten weiblichen Heldin des diesjährigen Freiburger Filmfestivals – und das will etwas heissen.» – RadioFr. Freiburg, Georges Wyrsch | «Ein fesselndes Sozialdrama über systemische Unterdrückung, das sich in einen meisterlichen Thriller verwandelt.» – Variety | «Hervorragend gespielt und temporeich erzählt.» – Film Threat
INSHALLAH A BOY | Rezension
Von Doris Senn
Die Kamera schwenkt über einen Vorort von Amman, über unansehnliche Häuser, Brachflächen, Stromleitungen … Ein altmodischer BH kommt ins Bild, der sich auf einer Schnur unter einem Balkon verfangen hat und den eine junge Frau mit Kopfschleier versucht, mit einem Besenstiel hochzuziehen. Vergeblich. Ihr Mann ruft aus dem Innern der Wohnung, das Teil fällt runter, vor die Füsse eines Passanten, während sie sich wie ertappt hinter die Deckung des Vorhangs zurückzieht.
Jordanien – Frauen ohne Rechte
Die kurze Eingangsszene des Langfilmdebüts des jordanischen Regisseurs Amjad Al Rasheed zieht in Bann und zeigt in der kleinen Szene exemplarisch, wie beengt die Welt der Frauen, wie begrenzt ihr sozialer Spielraum ist. INSHALLAH A BOY schwingt sich in der Folge zu einem selten eindringlichen Gesellschaftsporträt Jordaniens auf, dessen patriarchale Strukturen den Frauen kaum die Luft zum Atmen lassen. Al Rasheed geht dabei von wahren Begebenheiten aus. Er erzählt die Geschichte von Nawal, die mit ihrer Tochter nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes in arge Bedrängnis gerät: Der Schwager verlangt mutmasslich geschuldetes Geld zurück, er will Nawals Wohnung und sogar das Sorgerecht für ihre Tochter. Da Nawal keinen Sohn hat, steht das Gesetz auf seiner Seite.
Grossartige Schauspielleistung
Die palästinensische Darstellerin Mouna Hawa in der Rolle von Nawal trägt die Handlung souverän: mit ihrer Präsenz, ihrer Emotionalität, ihrem Spiel – wie schon im Film In Between (2016), der ihre Kinokarriere lancierte und der von drei palästinensischen Frauen in Israel zwischen Tradition und Moderne handelte. Lange Kameraeinstellungen des japanischen Kameramanns Kanamé Onoyama führen geschmeidig durch die realistischen Settings, zeigen das für Frauen obligate Ritual von An- und Ausziehen des Kopftuchs, machen die ständige Observierung durch die Öffentlichkeit, selbst durch die Aussenfenster, fühl- und mit Händen greifbar. Und dies quer durch die sozialen Klassen und Religionen: Die Welt jordanischer Frauen besteht aus geschlossenen Räumen.
Sozialrealistischer Thriller
Einem Thriller gleich baut INSHALLAH A BOY die Spannung auf, zeigt mit kleinen Nebenerzählungen immer mehr Facetten von Nawals Alltag und Leben, enthüllt ihre wachsende Bedrängnis und Not. Dicht und vielschichtig entfaltet Al Rasheed, der auch für das Drehbuch schrieb, seine Geschichte. Neben der systemischen Unterdrückung der Frauen deckt er auch die Doppelbödigkeit einer auf männlicher Vorherrschaft und religiöser Tyrannei basierenden Gesellschaft auf – ebenso wie die ernüchternd brüchige Solidarität unter Frauen.
Fazit: INSHALLAH A BOY ist ein überaus starker Film, der die Ohnmacht von Frauen in einem Land wie dem heutigen Jordanien aufzeigt und sich mit selten gesehener Intensität für ihre Rechte einsetzt. Und doch fragt man sich: Ist es ein Hoffnungsschimmer oder einfach nur Paradox, dass ausgerechnet Jordanien, Katar und Saudi-Arabien – die allesamt wegen ihres Umgangs mit Frauenrechten am Pranger stehen – den Film mitfinanziert haben?