Das Lehrerzimmer und das Klassenzimmer – so könnte der Titel dieses intensiven und komplexen Films auch lauten. Denn es gibt eine Wechselwirkung zwischen den beiden Kammern: Auf der einen Seite die Lehrpersonen, die versuchen, alles genau richtig zu machen. Auf der andern die Schüler:innen, die sich gerne verselbstständigen und sich lieber in Ungehorsam üben …
Das Lehrerzimmer
Unter der Regie von İlker Çatak wird eine Schule zum Mikrokosmos unserer heutigen Gesellschaft.
Das Lehrerzimmer | Synopsis
Carla Nowak tritt ihre erste Stelle als Mathematik- und Sportlehrerin an einem Gymnasium an. Sie unterrichtet mit Begeisterung und ihr ungetrübter Idealismus löst bei den anderen Lehrpersonen bisweilen Kopfschütteln aus, denn diese setzen ihre Null-Toleranz-Politik mit strenger Hand durch. Als es an der Schule zu einer Reihe von Diebstählen kommt und einer von Carlas Schülern verdächtigt wird, geht sie der Sache selbst auf den Grund und tritt damit eine Lawine los.
«Das Lehrerzimmer» des preisgekrönten Regisseurs Ilker Çatak ist ein elektrisierender Film, der zeigt, wie schnell ein sozialer Konflikt ungewollt eskalieren kann. Çatak hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, indem er die aktuelle Debattenkultur und Werte wie Wahrheit und Gerechtigkeit anhand des schulischen Mikrokosmos kritisch hinterfragt. Leonie Benesch kreiert durch ihre leidenschaftliche Darstellung einer jungen Pädagogin, die mehr und mehr zwischen die Fronten gerät, eine dichte Atmosphäre, die von Anfang an in den Bann zieht. – Filmcoopi
Das Lehrerzimmer – La salle des professeurs
Die junge, engagierte und beliebte Mathematik- und Sportlehrerin Carla Nowak pflegt mit ihrer Klasse ein entspanntes, respektvolles Verhältnis. Doch seit einiger Zeit wird in der Schule Geld gestohlen, eine Tatsache, der die Lehrerschaft auf den Grund gehen will. Im Lehrerzimmer (oder wie man heute korrekt sagen müsste «Teamzimmer») und in Anwesenheit von zwei Klassenvertretern wird über mögliche Massnahmen diskutiert. «Ihr müsst nichts sagen, wenn ihr nicht wollt», bekommen die Schüler zu hören. So sind die Regeln. Und die beiden wollen von nichts wissen – hegen aber doch einen Verdacht: Ali, ein Schüler mit Migrationshintergund. Der Spur wird nachgegangen und sie stellt sich als falsch heraus, mit fatalen Folgen. Denn der Appell an die beiden Jugendlichen, das Gespräch geheim zu halten, hallt ins Leere. Es kommt Unruhe in die kulturell gemischte Klasse, es wird gehänselt, verunglimpft, angeschuldigt.
Auf eigene Faust
Die Lehrerin versucht auf eigene Faust in der Sache weiterzukommen und stellt eine Falle – mit unerlaubten Mitteln. Ein überraschender Verdacht erhärtet sich und verwickelt den unschuldigen Schüler Oskar in die Sache. Die Angelegenheit läuft gänzlich aus dem Ruder, die Aufregung ist gross. Die Eltern fordern klärende Transparenz, Lehrkräfte fallen Carla Nowak zum Teil in den Rücken, Schüler:innen stellen sie selbstsicher mit einer Extraausgabe der Schülerzeitung an den Pranger, machen in der Klasse nur noch Ärger. Doch die Lehrerin gibt nicht auf und setzt sich im Lehrerzimmer für ihren Schützling ein, der kurz davor ist, von der Schule suspendiert zu werden. Idealistisch, kämpferisch und mit ihrer ganzen Überzeugungskraft versucht sie, das Ruder für sich und ihren Schüler herumzureissen. Die Sympathie ist bei ihr. Man leidet mit.
Schule im gesellschaftlichen Wandel
Der 39-jährige in Berlin geborene Regisseur İlker Çatak legt mit seinem Film den Finger auf einen heiklen Punkt: Wie löst man Konflikte in einer Schule, in der ein partizipatives System herrscht und Schüler:innen es verstehen, sich effektvoll einzubringen und die sozialen Medien für ihre Anliegen zu nutzen? Der Regisseur sagt, dass im Vergleich zu seiner Schulzeit sich vor allem die Art der Kommunikation geändert habe. Mithilfe der sozialen Dienste könnten sich Eltern und Schüler schneller untereinander austauschen. Auch hat Çatak das Gefühl, dass Eltern heutzutage mit einem anderen Selbstbewusstsein auftreten als noch früher. Für ihn wird die Schule so zum Mikrokosmos unserer heutigen Gesellschaft. Das Drehbuch beruht auf eigener Erfahrung: Er hatte in der achten Klasse in der Türkei einen ähnlichen Fall erlebt. Das Drehbuch verfasste er zusammen mit Johannes Dunker. Dass der Filme seine Spannung vom ersten bis zum letzten Moment halten kann, ist auch der Verdienst der ganzen Schauspieltruppe, allen voran Leonie Benesch (Carla Nowak), die eine emotionale Dauerpräsenz zu bewältigen hat, und ihrem jungen Gegenspieler Leonard Stettnisch (Schüler Oskar). Kamerafrau Judith Kaufmann erzählt in genau komponierten Bildern, die nahe am Geschehen sind, stimmig diese aufwühlende Geschichte um diese Geld-Klauereien.
Fazit: «Das Lehrerzimmer» ist ein ausgewachsenes Drama, beklemmend und packend wie ein Krimi. Er schildert vielleicht ein krasses Beispiel vom «Versagen des Systems», doch lässt er uns an einer Konfliktlösung teilhaben, die auf dem Hintergrund der aktuellen Debattenkultur nicht einfach ist. Absolut sehenswert!