Die französische Film- und Theaterschauspielerin Isabelle Huppert erhält bei den 72. Internationalen Filmfestspielen Berlin den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk. Im Rahmen der Preisverleihung am 15. Februar 2022, wird im Berlinale Palast der Film «À propos de Joan» (Regie: Laurent Larivière) als Berlinale Special Gala vorgeführt. Weitere sechs Filme sind in der Hommage vertreten. Zu sehen war Huppert auch in «Home» der Schweizer Regisseurin Ursula Meier.
Berlinale 2022 | Isabelle Huppert
- Publiziert am 18. Dezember 2021
«Wir freuen uns sehr, Isabelle Huppert erneut beim Festival begrüssen zu dürfen. Der Goldene Ehrenbär klingt zunächst wie eine selbstverständliche Beigabe zu einer einzigartigen Karriere, da Isabelle Huppert zu den wenigen Künstler*innen zählt, die bereits auf allen grossen Filmfestivals ausgezeichnet wurden. Sie ist jedoch mehr als eine gefeierte Schauspielerin – sie ist eine unnachahmliche Künstlerin, die nicht zögert, Risiken einzugehen oder sich dem Mainstream entgegenzustellen. Die Vergabe unseres prestigeträchtigsten Preises an Isabelle Huppert ist ein Bekenntnis zum Kino als unabhängige und bedingungslose Kunstform. Wir verstehen Schauspieler*innen oft als blosse Werkzeuge in den Händen der Filmemacher*innen; bei Schauspieler*innen wie Isabelle Huppert verwandelt sich diese Beziehung in einen Austausch. Schauspieler*innen können nicht nur die treibende Kraft zur Erzeugung von Emotionen, sondern auch für die Erschaffung filmischer Konzepte sein.» Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, Berlinale-Leitungsduo
Bereits in sieben Wettbewerbfilmen
Isabelle Huppert ist eine der weltweit vielseitigsten Charakterdarstellerinnen mit einem beeindruckenden Œuvre von fast 150 Kino- und Fernsehfilmen sowie Serien. Mit der Berlinale ist die Französin seit vielen Jahren eng verbunden und war bisher in sieben Filmen im Wettbewerb zu sehen. Erstmalig war sie zu Gast mit «La vengeance d’une femme» (Regie: Jacques Doillon). François Ozon setzte sie in der musikalischen Kriminalkomödie «8 Femmes» als unscheinbare Frau in Szene, die sich schliesslich in eine souveräne Schönheit verwandelt. Das Schauspielerinnen-Ensemble erhielt kollektiv einen Silbernen Bären für eine Besondere künstlerische Leistung. Auch in «L’Avenir» von Mia Hansen-Løve entdeckte sie als Philosophielehrerin nach dem Scheitern ihrer Ehe ihre Freiheit wieder. Der Film wurde mit dem Silbernen Bären für die Beste Regie ausgezeichnet.
Weltbekannte Regisseur*innen
Isabelle Huppert nahm bereits als 14-Jährige Schauspielunterricht und studierte anschliessend am Conservatoire nationale supérieur d’art dramatique in Paris. Es folgten erste Erfahrungen auf der Theaterbühne. Sie startete ihre Leinwandkarriere in «Faustine et le bel été» (Regie: Nina Companeez). Huppert trat daraufhin erstmalig in einer internationalen Produktion, in «Rosebud» (Regie: Otto Preminger), auf. Zwei Jahre später brachte ihr die Hauptrolle als schüchterne Beatrice in Claude Gorettas «La Dentellière» den BAFTA als Most Promising Newcomer in Grossbritannien ein. Zahlreiche renommierte Filmemacher wie Jean-Luc Godard und Bertrand Tavernier wurden ebenfalls früh auf die Französin aufmerksam. Für Godard stellte sie erstmals in dem Gesellschaftsdrama «Sauve qui peut (la vie)» ihre schauspielerische Ausdruckskraft unter Beweis. Auf die Talente der vielseitigen Darstellerin setzten schnell auch weitere weltbekannte Regisseur*innen. Die italienischen Filmemacher Paolo und Vittorio Taviani gaben ihr eine Hauptrolle in «Le affinità elettive» und für Marco Bellocchio spielte sie in seinem Ensemblefilm «Bella Addormentata».
In sieben Filmen von Claude Chabrol
Der französische Regie-Star Claude Chabrol besetzte Isabelle Huppert in insgesamt sieben Filmen, stets in besonders wandlungsfähigen und komplexen Rollen, erstmalig für die Titelrolle in «Violette Nozière». Für ihre Leistung erhielt sie ihre erste Goldene Palme als Beste Darstellerin beim Filmfestival in Cannes. Sie spielte in «La Cérémonie» zusammen mit Sandrine Bonnaire ein mörderisches Freundinnenpaar. Für diese Rolle wurde sie mit einem César ausgezeichnet. In ihrer letzten Zusammenarbeit mit Chabrol, «L’ivresse du pouvoir», stellte sie sehr vielschichtig eine machtbewusste Richterin dar – der Film feierte im Wettbewerb der Berlinale seine Premiere.
Drei Frauen – ein Name
Prägend für Isabelle Hupperts Schauspielkarriere im Film wurde auch die Zusammenarbeit mit dem österreichischen Regisseur Michael Haneke bei vier Filmen. Als herausragende Hauptdarstellerin in seinem kontroversen Drama «La Pianiste» wurde sie unter anderem als Beste Darstellerin in Cannes und beim Europäischen Filmpreis geehrt. Die französische Ausnahmeschauspielerin arbeitete seit Brillante Mendozas Berlinale-Wettbewerbsbeitrag «Captive» auch verstärkt mit asiatischen Regisseuren zusammen. Im gleichen Jahr folgte Hong Sang-soos Episodenfilm «Da-reun na-ra-e-seo» (In einem fremden Land), in dem Isabelle Huppert drei unterschiedliche Frauen darstellte, die alle den gleichen Namen tragen. Auch mit weiteren deutschsprachigen Regisseur*innen und Schauspieler*innen hat Huppert erfolgreich Filme gedreht: an der Seite von Hanna Schygulla in «Storia di Piera» von Marco Ferreri. Sie übernahm die Hauptrolle als namenlose Autorin, die immer mehr den Bezug zur Realität verliert, in der Ingeborg-Bachmann-Verfilmung «Malina» (Regie: Werner Schroeter) und erhielt dafür den Deutschen Filmpreis. Ebenfalls stand sie für «Home» der Schweizer Regisseurin Ursula Meier vor der Kamera.
Academy-Award-Nominierung
Isabelle Huppert ist die in Frankreich am häufigsten für den Filmpreis César nominierte Schauspielerin und wurde bereits zweimal mit ihm ausgezeichnet. Beim Filmfestival in Cannes gewann sie zweimal eine Goldene Palme für ihren virtuosen Schauspielstil. Dort war sie bereits in über 20 Filmen im Wettbewerb zu sehen – und hält damit auch hier einen Rekord. In den USA wurde ihr ein Golden Globe als Beste Darstellerin für ihre Hauptrolle im Thriller «Elle» (Regie: Paul Verhoeven) überreicht. Dieser intensive Part einer erfolgreichen Unternehmerin, die Rache an ihrem Vergewaltiger nimmt, brachte ihr gleichzeitig ihre erste Academy-Award-Nominierung ein.
Europäischen Theaterpreis
Neben ihrer Leinwandkarriere feierte Isabelle Huppert auch als Theaterschauspielerin immer wieder Erfolge und wurde unter anderem mit dem Europäischen Theaterpreis ausgezeichnet. Nach Orlando war sie in Heiner Müllers Quartett als eiskalte Marquise de Merteuil erneut in einer Inszenierung von Robert Wilson zu sehen. Ebenso brillierte sie in Sarah Kanes 4.48 Psychose unter der Regie von Claude Régy. Mit diesem Stück gastierte sie in Berlin zum ersten Mal auf einer deutschen Theaterbühne und begeisterte das Publikum mit ihrer intensiven Interpretation. 2022 wird die französisch-deutsch-irische Produktion À propos de Joan (About Joan) von Laurent Larivière, in der neben Isabelle Huppert auch Lars Eidinger zu sehen ist, in die deutschen Kinos kommen.