Eigentlich war AMRUM ein Projekt des 86-jährigen Filmemachers Hark Bohm (NORDSEE IST MORDSEE), doch dann verliessen ihn seine Kräfte und er übergab an den 51-jährigen Fatih Akin (GEGEN DIE WAND). Die authentische Geschichte Bohms, der alles daran setzt, seine Mutter nach Hitlers Selbstmord mit einem Honigbrot zu überraschen, war nicht nur das deutsche Highlight in Cannes, sondern ist auch ein berührender Coming-of-Age-Film, ein sehenswertes Drama über Liebe und Tod.
AMRUM
«Der Film hat mir mit meinen 51 Jahren gezeigt: Natürlich bist du Deutscher. Goethe hat gesagt: ‹Wo wir uns bilden, da ist unser Vaterland.› Der Dude hat recht! Ich habe Lesen und Schreiben auf Deutsch gelernt, nicht auf Türkisch. Ich habe meine ersten Filme auf Deutsch gesehen. Ich war auf einer deutschen Filmhochschule. Dass das nicht alles Teil meiner DNA ist, denn meine DNA liegt irgendwo im Kaukasus, in Ägypten und Kreta, ist klar. Aber meine Seele – das sind die Strassen, die Umgebung, die Erziehung. Das habe ich mit diesem Film konkret gelernt: Das bist du wirklich.» – Fatih Akin in einem Interview mit dem MDR
AMRUM | SYNOPSIS
Amrum 1945. Kurz vor Kriegsende glaubt die dreifache Mutter Hille (Laura Tonke) noch immer fest an den Endsieg. Auch auf Amrum ist das Leben zu der Zeit alles andere als leicht. Ihr zwölfjähriger Sohn Nanning (Jasper Billerbeck) ackert jeden Tag mit seinem besten Freund Hermann (Kian Köppke) auf den Feldern der Bäuerin Tessa (Diane Kruger), während über ihren Köpfen die alliierten Bomber Richtung deutsches Festland fliegen, um den Feind endgültig in die Knie zu zwingen. Wer überleben will, für die Familie sorgen will, muss anpacken – und Nanning tut genau das: Er sammelt nachts im hellen Mondschein Treibholz, jagt Kaninchen in den Dünen und klaut den Wildgänsen ihre Eier. Doch im Dorf bleibt er ein Aussenseiter. Als «Zugereister» aus der Grossstadt begegnet man ihm mit Misstrauen, in der Schule wird er verspottet. Zudem hält seine hochschwangere Mutter in Nibelungentreue an dem Führer fest, auch als alle schon längst wissen, dass nichts mehr zu gewinnen ist. Als der Krieg dann wirklich zu Ende geht und die Nachricht von Hitlers Tod durch das Radio auf die Insel gelangt, setzen bei Hille die Wehen ein. Kurz nach der Geburt ihres vierten Kindes versinkt sie in tiefe Traurigkeit und verweigert jedes Essen. Als sie den grossen Wunsch nach einem Weissbrot mit Butter und Honig äussert, schöpft Nanning neue Hoffnung. Für ihn steht fest, dass seine Mutter nur dann wieder zu Kräften kommen kann, wenn er ihr diesen Wunsch erfüllt. Doch woher nehmen, wenn man es auf der ganzen Insel nicht einmal stehlen kann? Tauschhandel, Tagesmärsche durchs Watt, Robbenjagd – nichts ist ihm zu viel. Während er Zutat um Zutat sammelt, wird Nanning nicht nur mit der harten Wirklichkeit des Krieges konfrontiert, sondern auch mit einem Familiengeheimnis, das sein Leben für immer verändern wird.

AMRUM | STIMMEN
«Bei und seinem Förderer, Kollaborateur und guten Freund wäre es wohl auf einen ganz ähnlichen Deal hinausgelaufen. Der 1939 in Hamburg geborene Filmemacher Hark Bohm (NORDSEE IST MORDSEE) Mentor und Freund von Fatih Akin (GEGEN DIE WAND) wollte seine Kindheitserinnerungen an die letzten, auf den nordfriesischen Inseln verbrachten Kriegstage verfilmen. Aber dann liessen die Kräfte schon vor Drehbeginn so sehr nach, dass Akin das Projekt als Regisseur ganz übernahm. Im Vorspann von AMRUM heisst es deshalb auch ungewöhnlich, aber passend: ‹Ein Hark Bohm Film von Fatih Akin›. Der tiefe, ehrlich empfundene Respekt, den Akin seinem inzwischen 85-jährigen Mentor gegenüber aufbringt, ist dabei in jeder Einstellung zu spüren.» – Christoph Petersen, Filmstarts.de | «Jasper Billerbeck spielt den zwölfjährigen Nanning in seiner ersten Filmrolle. Sein offenes, fragendes Gesicht trägt und prägt diesen Coming-of-Age-Film, der die Geschichte des Landes auf den schmalen Schultern der Hauptfigur schultert. Unermüdlich angetrieben von seiner Mission lernt man die Menschen auf der Insel kennen, erfährt man viel über den Alltag dort und die Lebensart, wird aber auch davon erzählt, was sechs Jahre Krieg und zwölf Jahre Nationalsozialismus mit den Menschen angestellt hat. Nanning wird mit Tod und Gewalt konfrontiert. Beim nächtlichen Stromern entdeckt er die angespülte Leiche eines britischen Soldaten, später wird er einer Gans die Eier stehlen, muss einem Kaninchen das Genick umdrehen und es fachmännisch ausnehmen, wird als Lockvogel für die Robbenjagd verwendet … Tatsächlich passiert unheimlich viel, obwohl der Film immer bescheiden auf Augenhöhe bleibt und daraus eine ganz ureigene Kraft bezieht, wie man sie in dem überbordenden, oft lustvoll undisziplinierten Kino von Fatih Akin bislang nicht kannte.» – Thomas Schultze, The Spot | «Nanning erweist sich als weitaus vielschichtigere Figur, als der Film lange erahnen lässt. Durch seine Augen lernt man das Inselvölkchen lieben und in seinen Augen erforscht der Film, wie Glaube und Hass der Erwachsenen, wie Menschen- und besonders Männerbilder von einer Generation zur nächsten getragen werden. Das trägt erst spät im Film Früchte, aber dann ist in Amrum endlich der versprochene ‹Film von Fatih Akin› zu erkennen.» – Jenny Jecke, moviepilot.de