«All the Beauty and the Bloodshed» ist das erste Künstlerinnenportrait der Dokumentarfilmerin und Oscar-Preisträgerin Laura Poitras («Citizenfour»). Der Film gewann an den Internationalen Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen den Hauptpreis des Festivals und wurde für die Oscars 2023 in der Kategorie Bester Dokumentarfilm nominiert.
All the Beauty and the Bloodshed
Ein beeindruckender Dokumentarfilm über Nan Goldin, die schonungslos das Persönliche in die Kunst und den Aktivismus in die Museen bringt.
All the Beauty and the Bloodshed | Synopsis
Die amerikanische Fotografin Nan Goldin ist in der Kunstwelt eine Rebellin und eine der bedeutendsten Fotografinnen des späten 20. Jahrhunderts. In der New Yorker No-Wave-Underground-Bewegung gewachsen, hat sie die Kunst der Fotografie revolutioniert und die Säulen der klassischen Kunstform ins Wanken gebracht. Mit ihrem herausragenden Gespür, den richtigen Moment einzufangen und ihrem politischen Blick durch die Kamera hat sie die Definitionen von Gender und Normalität stets in Frage gestellt. Ihre Fotografien widmen sich Themen wie Sexualität, Sucht und Tod. Sie sind von schonungsloser Direktheit, Intimität und Mehrschichtigkeit. Wegen einer Operation wird Nan Goldin OxyContin verschrieben, ein suchterzeugendes Schmerzmittel – und sie wird abhängig. Sie schafft den Ausstieg, doch für Unzählige führt die Sucht letztlich zum Tod. Seither kämpft sie als unermüdliche Aktivistin gegen die Pharmadynastie Sackler, die hauptverantwortlich für die weltweite Opioidkrise ist, und ihr Unternehmen Purdue Pharma. Die Familie Sackler hat sich mit ihrem Mäzenatentum in der Kunstwelt einen grossen Namen gemacht, doch mit ihren Aktionen zwingt Nan Goldin die Universitätssammlungen und Museen wie der Louvre, die Tate, das Guggenheim und das Met ihren Standpunkt zu überdenken.
All the Beauty and the Bloodshed | Stimmen
«Tiefgründig und aufrüttelnd.» – Variety | «Ein Film von umwerfender Kraft.» – The Hollywood Reporter | «Ein epischer Dokumentarfilm über Nan Goldin und ihren Aktivismus gegen die Familie Sackler.» – The Guardian
Rezension von Doris Senn
Doris Senn
Was für ein Leben! Nach dem intensiven 123-minütigen Doku-Porträt über Nan Goldin muss man erst mal durchschnaufen. Ausgreifend und dicht erzählt Laura Poitras ihre Lebensgeschichte, ihre Kunst, ihren Aktivismus. Die Fotografin Nan Goldin erregte ab den 70ern, kaum zwanzig geworden, erstmals Aufsehen mit Fotos ihrer Freunde aus der Gay-und-Transgender-Szene. Ihren Durchbruch erlebte Goldin – die ihre Aufnahmen als «Slideshows» mit Musik präsentierte – mit «The Ballad of Sexual Dependency» (1986). In ihren Bildern machte sie sich selbst, ihren Freund:innenkreis, Underground und Subkultur öffentlich: Ungeschönt schön und verstörend zeigt sie Gesichter, Körper, Sex, Drogen, Gewalt. Ihre Fotos sind unmittelbar, intim, schonungslos.
Die Opioid-Krise
Im Zentrum von «All the Beauty and the Bloodshed» stehen aber auch die Aktionen der Selbsthilfegruppe P.A.I.N., die von Nan Goldin ins Leben gerufen wurde. P.A.I.N. (Prescription Addiction Intervention Now) möchte Bewusstsein schaffen für die Opioid-Epidemie in den USA. Und gleichzeitig die milliardenschwere Sackler-Familie zur Verantwortung ziehen, die hinter der aggressiven Vermarktung eines «harmlosen» Schmerzmittels steht, das seit den 90ern Hunderttausende in die Abhängigkeit und in den Tod führte. Nan Goldin selbst erhielt das Opioid nach einer OP in den Zehnerjahren und wurde über Nacht abhängig, wie sie sagt. Nach ihrem Entzug gründete sie P.A.I.N., die mit aufsehenerregenden Aktionen auf sich aufmerksam machte, mit denen sie die renommiertesten Kunstmuseen dazu bringen wollte, sich von den Sacklers abzuwenden, die sich seit Jahrzehnten als Philantropen zelebrieren lassen.
Mehr als ein «Biopic»
In sechs Kapiteln lässt Poitras die renommierte Künstlerin ihr Aufwachsen, ihr Leben, ihre ikonischen Fotoserien kommentieren, zeigt Sitzungen und Aktionen von P.A.I.N. Über zwei Jahre führte die Regisseurin zudem Interviews mit Nan Goldin, von denen nur der Ton aufgezeichnet wurde und die nun zusammen mit ihren Bildern die zentrale Achse des Films bilden. «Die Gespräche sind sehr intim und berühren sehr schmerzhafte Themen», meint Produzent Golijov – nur ein kleiner Kreis hatte Zugang zum Material, und Nan Goldin hatte bis zum Schluss das Recht auf Überprüfung, bevor das Gesagte in den Film übernommen wurde.
Fazit: «All the Beauty and the Bloodshed» ist ein pralles Doku-Porträt, das Persönliches, Kunst und Politik rund um Nan Goldin eng miteinander verknüpft. Poitras gelingt es dank einer klaren Struktur, die Fülle an Informationen und Emotionen zu bündeln und macht den Film mit Nan Goldins Stimme und Erinnerungen, die durch den Film begleiten, zu einem aussergewöhnlich persönlichen Einblick und Erlebnis.