Bis am 11. Januar 2026 verwandelt sich das Bernhard-Theater Zürich in eine farbenfrohe, wilde und herzerwärmende Abenteuerwelt. Das Dialekt-Familienmusical s’Dschungelbuech bringt den zeitlosen Klassiker in einer frischen, modernen Dialekt-Fassung auf die Bühne – energiegeladen, humorvoll und mit viel Gefühl. Eine Geschichte über Mut, Freundschaft und Zugehörigkeit, die Generationen verbindet und gerade in der dunkleren Jahreszeit ein Licht entzündet.
Wenn Freundschaft stärker ist als Angst
- Publiziert am 3. Dezember 2025
Rudyard Kipling – Der Mann, der Mowgli erfand
Geboren im kolonialen Indien, aufgewachsen zwischen zwei Welten – Rudyard Kipling wusste früh, wie sich Fremdheit und Zugehörigkeit anfühlen. Schon als junger Journalist schrieb er über das britische Empire, später wurde er einer der meistgelesenen Autoren seiner Zeit. Mit «The Jungle Book» (1894/95) schuf er Figuren, die bis heute lebendig sind: Mowgli, Balu, Baghira – Ikonen einer Welt, in der Mensch und Tier die Grenzen ihrer Identitäten ausloten. Kipling wurde 1907 als jüngster Literaturnobelpreisträger der Geschichte ausgezeichnet. Gleichzeitig bleibt sein Werk ambivalent: Die kolonialen Machtstrukturen, die darin immer wieder durchscheinen, werden heute kritisch beleuchtet. Und doch hat er etwas geschaffen, das weit über seine Zeit hinausreicht: Geschichten, die Generationen begleiten und kulturelle Codes prägen – vom Kinderzimmer bis zur grossen Bühne.
Shake Company – Theater mit Herz und Haltung
Seit ihrer Gründung bringt die Shake Company Energie, Humor und Musikalität auf die Bühne – und trifft damit mitten ins Familienherz. Das Ensemble setzt auf hochwertige Unterhaltung, die Kinder begeistert und Erwachsene ernst nimmt. Dialekt, starke Figuren und Geschichten über Freundschaft, Mut und Zusammenhalt sind ihre Markenzeichen.
Die Produktionen entstehen immer mit Blick auf die nächste Generation von Theaterfans: niederschwelliger Zugang, grosse Kunst. Ob Klassiker neu gedacht oder moderne Stoffe frech interpretiert – die Shake Company zeigt, wie lebendig und inklusiv Familienkultur heute sein kann.
Mit s’Dschungelbuech beweist das Team einmal mehr, dass packendes Theater nicht von Effekten lebt, sondern von Spielfreude, cleveren Ideen und echter Bühnenmagie.

Mowgli zwischen Freiheit und Gefahr
Der Tiger Shir Khan hat Mowglis Vater getötet und den Jungen im Urwald zurückgelassen. Wölfe nehmen sich seiner an und ziehen ihn gross – als «wildes Kind», das ungebändigter kaum sein könnte. Doch die Bedrohung durch Shir Khan bleibt bestehen. Baghira und Balou wollen Mowgli deshalb in Sicherheit bringen – zurück zu den Menschen. Der aber weigert sich: Sein Herz schlägt für den Dschungel und seine tierischen Freunde. Trotz Warnungen läuft er davon, gerät in aufregende Abenteuer und stellt sich immer wieder selbst in den Weg. Erst ein Mädchen in der Menschenwelt lässt ihn begreifen, wer er wirklich ist. Eine Suche nach Identität, die sehr menschlich ist – auch im Urwald.
Klassischer Stoff mit modernen Blickwinkeln
Rudyard Kipling schrieb die Mowgli-Geschichten 1894/95 – zwei Werke, die die Abenteuer des Menschenkindes literarisch unsterblich machten. Disney-Zeichentrickfilme, Realverfilmungen und Animationsserien hielten den Kultstatus über Generationen wach. Gleichzeitig wird der Stoff heute differenzierter betrachtet: Kiplings kolonial geprägte Weltbilder werfen Fragen auf. Die Faszination bleibt dennoch ungebrochen, denn seine Erzählungen verhandeln zeitlose Themen: Zugehörigkeit. Verantwortung. Zusammenhalt. Das Musical greift einzelne Kapitel heraus – die Phase vom Kind zum Jugendlichen. Wie in modernen Adaptionen üblich, sind Geschlechterrollen offener: Der Dschungel ist ein vielfältiger Lebensraum, in dem Identität neu verhandelt wird.

Theatermagie für alle Generationen
Autor und Regisseur Kamil Krejčí hat eine witzige, kluge Dialektfassung geschaffen, die Kinder begeistert und Erwachsene zum Schmunzeln bringt. Eine Erzählerin fungiert als Kompass durch die Handlung – und sorgt dafür, dass auch Smartphones Pause haben. Regisseur Krejčí verbindet Spannung und Spass mit sicherem Instinkt für die Wahrnehmung des jungen Publikums. Nichts wirkt überdreht, nichts wird verniedlicht – das Abenteuer bleibt greifbar und emotional. Nur sieben Darsteller:innen verkörpern 21 Rollen: durch kräftige Körperarbeit, klare Stimmen, fantasievolle Masken. Die Musik von Konstantin Wecker und die farbenfrohen Choreografien von Annatina Hug verwandeln die Bühne in ein pulsierendes Urwaldspektakel. Beim Hinausgehen verraten die Gesichter alles: rote Wangen, funkelnde Augen, breite Lächeln. S’Dschungelbuech ist lebendiges Theater – ein Event, der Zürich durch die Winterzeit trägt und den Glauben an Freundschaft frisch entfacht.
Für uns gesehen hat das Stück: Alain Ziehbrunner


