Die von Philipp Maintz komponierte Oper Maldoror erzählt eine für das Musiktheater eher ungewöhnliche Geschichte: Es ist eine Erzählung über das abgrundtiefe Böse, das über das Gute triumphiert.
Theater Basel | Maldoror
Die literarische Vorlage ist hart. In Isidore Ducasses Gesängen des Maldoror treiben Baudelaires Blumen des Bösen, Poes abgründige Prosa und Byrons tabulose Fantasien neue, starke Blüten. „Schwarze Romantik“ ist ein mildes Wort für die genialische Dichtung eines 23-Jährigen, der sich „Comte de Lautréamont“ nannte. Der Verleger weigerte sich 1869, die gedruckte Erstauflage auszuliefern, er fürchtete die erbarmungslose Härte der Zensur. Bestimmte Motive, literarische, allegorische, Tatmotive und -spuren tauchen in den sechs Kapiteln des Buches an mehreren Stellen wie Leitlichter durch den Abgrund des Menschlichen auf. Sie zeichnen eine mögliche Textauswahl für das Musiktheater vor.
Auf drei Personen konzentrieren Philipp Maintz und Thomas Fiedler die sieben Szenen ihrer Oper: auf Lautréamont, den Dichter, auf seine Kopfgeburt und alter ego, Maldoror, und auf eine „Voix de soprano“. Sie schafft formal die Klammer um das Werk, ist Silberstreif der Hoffnung, „Kassandra und Königin der Nacht“ (Philipp Maintz), entrückte Schönheit und Orakel in einem Prozess, in dem Lautréamont sein anderes Ich erst schafft, dann loswerden will und schließlich selbst von ihm getötet, verschlungen wird.
Die Oper beginnt mit dem Hymnus auf den Ozean, in dem sich eigene Erfahrung, Symbol und Urkraft mischen. Ducasse, in Montevideo geboren, in Frankreich gebildet und zu Hause, überquerte und erlitt ihn oft. Der Ozean gab in der menschlichen Kulturgeschichte Sinnbilder für das Meer der Liebe und die Fluten des Bösen, für Verschlingen und Freigeben, wurde als Wohnort der Ungeheuer und Quelle des Lebens beschrieben. Hier sind die extremen Gegensätze gesammelt, die Ducasses Denken durchzogen. Océan heißt eine Komposition von Philipp Maintz, die vor zwei Jahren uraufgeführt wurde. Musikalisch bildet sie den Kern der ersten Maldoror-Szene. Premierensolistin war Marisol Montalvo; sie wünschte sich Philipp Maintz als Protagonistin seiner ersten Oper. Sie wirkt als Gegenbild zu ihrer Umgebung, dem Meer des Bösen.
Philipp Maintz schrieb eine Partitur, die Kontraste von kammermusikalischem Filigran bis zu heftigen Explosionen und Eruptionen mobilisiert. Maldoror beginnt ozeanisch und kulminiert im Kampf auf Leben und Tod.
Philipp Maintz, 1977 in Aachen geboren, erhielt ersten Kompositionsunterricht bei Michael Reudenbach. 1997–2003 studierte er bei Robert HP Platz in Maastricht (Abschluss mit Auszeichnung), danach im Aufbaustudium Komposition und elektronische Musik bei Karlheinz Essl in Linz. Er erhielt Stipendien und Einladungen u. a. des Elektronischen Studios Liège, der Internationalen Ferienkurse in Darmstadt und des IRCAM in Paris. 2005 wurde ihm der Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung, 2006 das Stipendium der Wilfried-Steinbrenner-Stiftung, 2007 das Stipendium der Bundesregierung für die Cité Internationale des Arts Paris verliehen. Derzeit ist er Stipendiat an der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart. Für 2010 erhielt er eine Einladung an die Villa Massimo in Rom.