Poetische Dialoge über Sehnsüchte und Ängste: Die deutschsprachige Erstaufführung von Jon Fosses “Ich bin der Wind” am Schauspielhaus Zürich.
Schauspielhaus Zürich | Ich bin der Wind
Die Bühne des Schauspielhauses Zürich ist in ein nebliges Licht getaucht, das die Zuschauer mitnimmt auf ein Boot, in dem zwei Männer sitzen. Ihre Namen sind vom norwegischen Autor Jon Fosse bewusst schemenhaft gewählt: Sie heissen „Der Eine“ und „Der Andere“. Während „Der Eine”, dargestellt von Sebastian Rudolph, sich danach sehnt, zu verschwinden, und sich zugleich davor fürchtet, versucht „Der Andere”, alias Tilo Nest, ihn in der Gegenwart zu halten. Die beiden ankern in einer Bucht, essen und trinken, kommen sich in Gesprächen näher. Als sie wieder aufbrechen, steuert „Der Eine” plötzlich weit auf das offene Meer hinaus. „Der Andere” kann nur dabei zusehen, wie sich sein Gefährte in die Wellen stürzt und verschwindet.
Für Schauspieler Tilo Nest ist “Ich bin der Wind” vor allem ein Stück über die unerfüllten Sehnsüchte, die jeder mit sich trägt. Es kreist um Wünsche, Ängste, Leben und Tod. Schauspieldirektor Matthias Hartmann hat das Stück sehr nachdenklich und stimmgungsvoll inszeniert. Es lebt von den poetischen Dialogen, die Jon Fosse in eine bezwingende, klare Sprache gekleidet hat. Der norwegische Autor, der am Meer lebt und selber gerne Boot fährt, hat über seine Arbeit einmal gesagt: “Wenn ich schreibe, versuche ich, nichts zu wissen. Ich habe keine Absicht, keinen Plan. Ich will so leer sein wie möglich. Ich schreibe nie abends. Dann bin ich weich in der Seele und sentimental. Ich will kalt und klar sein.”