Cecilia Bartoli glänzt zusammen mit einem hochkarätigen Ensemble in einer vor Witz nur so sprühenden Aufführung, schlichtweg grandios!
Opernhaus Zürich | Clari
- Publiziert am 24. Mai 2008
Kritik:
Wie ein funkelnder Diamant strahlt Cecilia Bartolis Stimme von der Bühne in den ausverkauften Zuschauersaal des Opernhauses. Umgeben von einem nicht minder hochkarätigen Ensemble erweckt sie Halévys Oper CLARI nach 180 Jahren dem Dornröschenschlaf. Und wie sie das tut ist schlichtweg atemberaubend: Die schwierigen Koloraturen perlen rein und zart, die Stimme meistert die beinahe drei Oktaven umfassende Tessitura mühelos, verströmt dabei wunderbar samtig weichen Wohlklang, berührende Piani, makelloses messa di voce, aber auch emotionsgeladene Wut- und Verzweiflungsausbrüche, Herzensschmerz und überschwängliche Freude. In den beiden eingeschobenen Arien und Kavatinen aus Rossinis OTELLO und Halévys TEMPESTA kann Frau Bartoli zusätzlich aus dem Vollen schöpfen und brillieren. Dazu gesellen sich ihre Spielfreude und die ausdrucksstarke Mimik, so dass ein rundum gelungenes, überzeugendes Rollenporträt dieses naiven Bauernmädchens Clari entsteht, das sich – in dieser Inszenierung – über Internet in einen reichen Kunstmäzen verliebt, diesen auch trifft, während einer Theateraufführung seiner Bediensteten (HAMLET lässt grüssen … )jedoch von Selbszweifeln und Gewissensbissen geplagt wird, vor versammelter Schickeria ausflippt und so den Zorn des Mäzens auf sich zieht. Nach kurzem Spitalaufenthalt kehrt sie beschämt zurück auf den Schweinemasthof ihrer Eltern und versucht den dem Selbstmord nahen Vater um Vergebung zu bitten. Doch da taucht der reiche Mäzen, der sich unterdessen seiner Liebe zu Clari bewusst geworden ist, in seinem Lexus Offroader wieder auf, überreicht dem entehrten Papa einen Geldkoffer, und somit steht dem Happy End auf der Kuhweide nichts mehr entgegen.
Diese amüsante, zwischen Foto-, Groschen- und Barbara-Cartland-Roman schwankende Inszenierung voller Pep verdankt man dem Regieduo Moshe Leiser/Patrice Caurier, die erstmals (und hoffentlich nicht letztmals) an der Zürcher Oper tätig waren. Im detailgetreuen Bühnenbild (Christian Fenouillat), das zwischen Kunsthalle mit knallroter King Kong Plastik, Krankenhaus und Bauernküche mit Schinken und niedlichem Schweinchen wechselt und mit den grell-schrägen, wunderbaren Kostümen von Agostino Cavalca entwickelt sich eine augenzwinkernde Aufführung voller Humor.
Selbstverständlich ist es ein Rollendebüt für alle Beteiligten: Der amerikanische Tenor John Osborn singt den Duca mit geschmeidiger, angenehm timbrierter Stimme, sehr stilsicher meistert er seine Arien und Ensembles und begeistert im dritten Akt mit einem fulminanten Spitzenton. Oliver Widmer, Giuseppe Scorsin und vor allem Eva Liebau, mit ihrer wunderschön gesungenen Canzonetta im zweiten Akt, überzeugen als Dienerschaft und Schauspieltruppe, Carlos Chausson ist ein wunderbar polternder Bauer, voller Selbstmitleid, seine dem Schnapsfläschchen nicht abgeneigte, resolute Gattin wird von Stefania Kaluza nicht minder überzeugend dargestellt. Ihr hätte Halévy durchaus auch noch eine Arie schenken dürfen.
Dass auf Originalinstrumenten gespielt wird, kommt allen Sängerinnen und Sängern sehr entgegen, niemand wird zum Forcieren gezwungen, die Diktion ist vorbildlich. Adam Fischer leitet das grossartig spielende Orchestra „La Scintilla“ der Oper Zürich und den von Jürg Hämmerli wie stets präzise einstudierten Chor mit Schwung und sprühendem Charme.
Leider sind trotz des ungeheuren Aufwands und des Riesenerfolgs anlässlich der Premiere nur fünf Vorstellungen angesetzt und für die nächste Spielzeit ist keine Wiederaufnahme geplant.
Fazit:
Eine rundum geglückte Aufführung, sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen!
Werk:
Trotz eines Achtungserfolgs nach der Uraufführung 1828, nicht zuletzt dank Maria Malibran in der Titelpartie, konnte sich das Werk nicht durchsetzen und verschwand nach wenigen Aufführungen vom Spielplan. Cecilia Bartoli hat die Partitur in Paris aufgestöbert und zusammen mit dem Musikologen Martin Heimgartner eine kritische Fassung erstellt. Diese erklingt nun erstmals nach 180 Jahren wieder in einem Opernhaus.
Inhalt:
Bauernmädchen liebt Herzog, hat aber Gewissensbisse, weil sie ihre Eltern damit entehrt hat, Herzog versteht Qualen des Mädchens nicht, Mädchen wird vom Herzog verstossen, ist verzweifelt, kehrt zu den Eltern zurück. Vater verwindet die Schande der Tochter nicht. Herzog liebt Bauernmädchen doch, sucht und findet sie. Heirat. Happy End.
Musikalische Höhepunkte:
O d’ogni mia, Auftrittsarie des Duca, Akt I (Osborne)
Come dolce a me favelli, Cavatina der Clari, Akt I (Bartoli)
Finale Akt I
Chi vuol vedere, Canzonetta der Bettina, Akt II (Liebau)
Assisa a piè d’un salice, Arie der Desdemona aus Rossinis OTELLO, Akt II (Bartoli)
Se pietosa, Arie des Duca, Akt III (Osborn)
Parmi una voce, Arie der Miranda aus Halévys LA TEMPESTA, Akt III (Bartoli)
Für art-tv: © Kaspar Sannemann, 24. Mai 2008