Sie kamen aus den Bayerischen Voralpen und den lombardischen Ebenen, aus dem Tirol und dem Appenzell, aus dem Engadin, aus München, Mailand und Marseille… Und sie alle waren Teil eines einmaligen Musikereignisses. Ein grandioses Festival, das auch mit einem Abschied verbunden war. Johannes Rühl, der künstlerische Leiter, war diesen Sommer nach zwölf Jahren ein letztes Mal dabei. Gesamtleiter Pius Knüsel nimmt den Abgang als Chance, über das Profil von «Alpentöne» nachzudenken.
Alpentöne 2019 | Internationales Musikfestival Altdorf
Wo Europa sich trifft
Das musikalische Material der vielen Musiker aus unterschiedlichen Volkskulturen, aus Jazz, Pop, neuer Musik, nutzt als Brennpunkt die weitläufige und feingliedrige, stilistisch so vielfältige musikalische Tradition der Alpenländer. Doch auch ihr persönliches Klanggedächtnis ist ihr Fundus. Viele entwickeln so ganz neue Vorstellungen einer alpinen Klangkultur. Und wo käme sie besser zur Geltung als da, wo die Mischung von Nord und Süd seit je zum Rezept gehört – in Uri?
Das 1999 gegründete Festival ist keinem musikalischen Stil verpflichtet. Das Thema ist eindeutig, nicht aber das Genre. Am ehesten fasst man es im paradoxen Begriff der Neuen Volksmusik zusammen. Paradox deshalb, weil Volksmusik Alter und Tradition impliziert, Neu aber das Gegenteil davon ist. So lebt in diesem Begriff genau die Spanne, die unser Festival so reich an Überraschungen und Erlebnissen macht.
Bewährt und doch neu
«Alpentöne» ist grob in zwei Konzertgruppen gegliedert: Die konzertanten Darbietungen im Theater Uri, im Cinéma Leuzinger sowie in der Kirche St. Martin auf der einen, die Gratiskonzerte im Festivalzelt auf dem zentralen Dorfplatz, demLehn, im Haus für Kunst Uri sowie in den Getreidesilos Werkmatt. Auch 2019 gab es den Klangspaziergang, das Happening im Reussdelta. Erstmals beschloss und eröffnete er nicht das Festival. Als Novum gab es ein Kinderkonzert zum Mitmachen.
Johannes Rühl verabschiedet sich von «Alpentöne»
«Es waren die schönsten Jahre meines Berufslebens.» Mit diesen Worten gab Johannes Rühl seine Demission als künstlerischer Leiter des Festivals Alpentöne bekannt. Es sei der Moment gekommen, das Programm in neue Hände zu legen. Rühl hat sich entschlossen, nach zwölf Jahren und sechs Ausgaben die künstlerische Leitung des Musikfestivals Alpentöne abzugeben. Die Gründe dafür seien vielfältig, sagt der Kulturvermittler: «Neue Tätigkeiten warten auf mich. Es ist aber noch zu früh, darüber zu sprechen und Details bekannt zu geben. Ich habe zudem zahlreiche freie Projekte und kuratorische Aufgaben, denen ich mehr Zeit widmen möchte.»
Viele Türen aufgegangen
Der Aufwand für die vielen Veränderungen, die mit der neuen Gesamtleitung gekommen sind, habe sich gelohnt, sagt Johannes Rühl: «Mit Pius Knüsel sind viele Türen aufgegangen, dafür bin ich sehr dankbar. So konnte ich das, was Hansjörg Felber aufgebaut hat, weiter gut entwickel» und weiter meint er, «als künstlerischer Leiter des Festivals hatte ich vollkommen freie Hand und durfte mit Alpentöne die zwölf schönsten Jahre meines Berufslebens verbringen. Wir haben in dieser Zeit stetig an Zuspruch gewonnen, ohne von unserem Anspruch etwas einzubüssen. Ich bin dankbar, zusammen mit diesem wunderbaren Team, am Erfolg beteiligt gewesen zu sein», blickt Rühl zurück: «Ich habe für mich persönlich das maximal Mögliche erreicht und schaue frohen Herzens zurück.» Gleichzeitig richtet sich sein Blick nach vorne: «Alpentöne ist ein Festival, das sich was traut. Getreu diesem Motto traue ich mich, nach langen Jahren erfüllender Arbeit, zu gehen», erklärt Johannes Rühl und betont: «Für das Festival bietet sich zugleich die Chance, sich auch inhaltlich neu aufzustellen.»
Arbeit am Profil
Pius Knüsel, seit 2018 Leiter des Festivals, bedauert die Demission des künstlerischen Leiters. «Johannes Rühl hat das Festival entscheidend geprägt». Doch jeder Abschied sei auch eine Chance. Die Zukunft von Alpentöne sieht er weiterhin im Schnittfeld von Volksmusik, Klassik und Jazz, allerdings mit Erweiterungen in bisher unbeachtete Gebiete und mit mehr lokalen Auftragswerken. Auch könne er sich, nach elf von Männern bestimmten Ausgaben, sehr gut eine Frau als künstlerische Leiterin vorstellen. «Der Gestaltungsraum ist enorm, das Festival ein einzigartiges, da nicht von Verkaufsdruck getriebenes Experimentierfeld.» Die Suche sei eröffnet.