Die Schattenseiten des industriellen Fortschritts machten sich um 1900 auch in der Ostschweiz bemerkbar. Wohnungsnot, mangelnde Hygiene, ungesunde Ernährung und Krankheiten wie Typhus und Cholera waren weit verbreitet. Kritische Stimmen forderten ein «Zurück zur Natur» und nicht weniger als die Reform der ganzen Gesellschaft.
«Von Reformtänzerinnen & Wollaposteln» – Wie man vor über 100 Jahren versuchte, sich der Natur wieder anzunähern
- Publiziert am 6. März 2023
Umstrittene Methoden
Die Ausstellung «Von Reformtänzerinnen & Wollaposteln» zeigt, wie sich die Reformer:innen eine Rückkehr zur Natur vorgestellt haben. Im Kurhaus Martens in Trogen oder in der Sennrüti in Degersheim etwa konnte die angeschlagene Gesundheit wieder hergestellt werden. Umstritten war das Licht-, Luft- und Sonnenbad in Herisau. Ob die so genannten Luftbadehosen eine Rolle spielten? Und was macht eine Lichtdusche im Museum, wenn doch das Sonnenlicht die wichtigste Heilkraft der Natur ist?
Theater und Tanz
Die neuen Ideen der Lebensreform sollten auch im Alltag einfach umgesetzt werden können. Hausfrauen servierten Vollkornbrot und Konfitüren aus Schildknecht-Einmachgläsern und lernten vegetarisch kochen. Sie wuschen schmutzige Hände mit Kneipp Seifen oder kleideten Kinder in Reformunterwäsche ein.
Mütter schickten ihre Töchter in die Tanzstunde zu Lehrer:innen, die bei berühmten Reformtänzer:innen ausgebildet worden waren. Väter steckten ihre Buben in Landerziehungsheime, wo diese Theater spielen lernten und an der frischen Luft unterrichtet wurden.