Multimedia, Touchscreens und Interaktivität gibt es im DIORAMA nicht, dafür ein überwältigendes analoges Erlebnis. Die Besucher:innen tauchen ein in die Welt vor 2000 Jahren. Die Szenerie zeigt 470 Figuren auf 80 Quadratmetern Fläche und vor 30 Metern gemaltem Hintergrund. Die Kombination von plastischer Darstellung und gemaltem Hintergrund erzeugt eine Illusion von Weite und man wird mitten ins alte Judäa hineinversetzt, in die Gegend von Bethlehem, inklusive einem Hörspiel.
Das Diorama in Einsiedeln erweckt die Weihnachtsgeschichte zum Leben
- Publiziert am 18. Dezember 2024
Die Darstellung ist in vier Episoden eingeteilt:
Die Szenerie beginnt mit dem Hirtenfeld, wo die Engel die Geburt Christi verkünden.
In der Mitte ist die Geburtshöhle mit Maria, Joseph und dem Jesuskind.
Es folgt die Ankunft der Heiligen Drei Könige und ihrer Karawane.
Die Geschichte endet mit der Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten.
Plastische Szenerie und illusionistische Malerei
Dioramen, eigentlich Durchscheinbilder, fanden seit Ende des 19. Jahrhunderts grosse Verbreitung vor allem in naturhistorischen Museen, wo ausgestopfte Tiere in Schaukästen vor einer bemalten Kulisse in ihrer «natürlichen» Umgebung dargestellt sind. Grossformatige Weihnachtskrippen, die in eine plastische Landschaft eingebettet und zum Teil mit illusionistischer Malerei bereichert sind, kann man heute insbesondere im Museum San Martino in Neapel hinter Glas bewundern. Das Einsiedler Dioramagebäude, das allein der Zurschaustellung einer riesigen Krippenlandschaft mit zahlreichen Figuren dient, ist vermutlich ein Unikum. Und es konnte wohl auch nur vor dem Hintergrund des Pilgertourismus und in unmittelbarer Nachbarschaft des Panoramas entstehen. Beiden Medien ist gemeinsam, dass sie durch plastische Szenerie und illusionistische Malerei beim Betrachter den Eindruck erwecken wollen, ein reales Geschehen zu sehen und zu erfahren. Und an beiden Orten stehen die Betrachterin und der Betrachter im Dunklen, sodass ihr Blick von der beleuchteten Szenerie gefangen wird.
Trapezform mit Rundung
Der junge Architekt Felix Schmid war mit einer völlig neuen Bauaufgabe konfrontiert. Vorbilder fand er in den temporären Pavillons der Ausstellungsarchitekturen wie jener an der Landi 1939. Vorgegeben waren die Grösse des Baugrunds, der Anteil Raum für die Krippenlandschaft und der Anteil Raum für die Besuchenden, wobei mindestens mit so vielen Personen gerechnet werden musste, wie sie ein damaliger Reisebus aufnehmen konnte. Schmid entwarf ein trapezförmiges, auf der Rückseite jedoch leicht abgerundetes Gebäude. Die Rückwand des abgedunkelten Besucherraums ist aus akustischen Gründen mit lärmdämmenden Korkplatten bespannt. Denn bei Führungen wurden die Erläuterungen der einzelnen Szenen der Krippenlandschaft von Anfang an via Lautsprecher von einem Band abgespielt. Die Hauptfassade ist schmaler als die gerundete Rückseite. Ursprünglich war das Mittelportal, in dem ein Stern auf blauem Grund hängt, durchgehend. Die Front ist wie ein antiker Säulengang durch schmale Betonpfeiler gegliedert mit vertieft liegenden Wandfeldern zwischen diesen. Gedeckt wurde das aufgrund der Hanglage zweigeschossige Gebäude bis 1988 durch ein elegantes, sehr dünnes, geschwungenes und auf den Seiten hervorragendes Flachdach, das aufgrund von Wasserschäden durch eine solidere Version ausgetauscht wurde.
Aus dem Dunkeln ins Licht
In dem schmalen Eingangsbereich hat der Architekt rechts Ticketschalter und Kiosk eingerichtet. Links befindet sich ein abgedunkelter Gang, durch den man in den Besucher:innenraum gelangt, wo das Auge der Betrachtenden von der angeleuchteten Krippenlandschaft eingefangen wird. Die Inszenierung des Ausstellungsraumes fiel schon damals der Berichterstatterin auf, die in der «Neuen Einsiedler Zeitung» über die Eröffnung des Dioramas geschrieben hat. Dort heisst es: «Durch die schön und würdig gestaltete Eingangspforte, von einem blauen Himmel überdacht, an dem der strahlende Stern von Betlehem prangt, umfängt uns zunächst das geheimnisvolle Dunkel des Dioramas (…) Und dann stehen wir im Banne des geistlichen Schauspiels vor unseren Augen, verwundert ob so viel künstlerischer Schönheit, Formen-, Farben- und Lichterpracht und ergriffen von der hier eingefangenen Atmosphäre Bethlehems.» Vier Jahre nach der Errichtung dieses ersten Gebäudes der Nachkriegsmoderne in Einsiedeln wurde im Ort ein weiteres Gebäude mit diesen architektonischen Kennzeichen errichtet. Auch dieses diente dem Schauen: das Kino Etzel, für dessen Entwurf der Einsiedler Architekt Albert Müri-Thorner verantwortlich war.