SchriftstellerInnen sind wie Seismographen: Sie spüren die sichtbaren und unsichtbaren gesellschaftlichen Veränderungen auf und verarbeiten sie in ihren Texten. Rund 70 Autoren und Autorinnen aus dem In- und Ausland werden an den 39. Solothurner Literaturtagen ihre neuesten Werke präsentieren.
39. Solothurner Literaturtage
- Publiziert am 5. Mai 2017
Erforschen der Risse im sozialen Gefüge
Es gehört zu den schönsten Tugenden von Autorinnen und Autoren, dass sie die gesellschaftlichen Veränderungen aufspüren und wahrnehmen. Sie forschen den feinen Rissen im sozialen Gefüge nach oder berichten davon, was Krieg, Flucht und Ausgrenzung den Menschen antun. Die Literatur besitzt die wundersame Kraft, erzählen, analysieren und darstellen zu dürfen ohne den Zwang, voreilige oder versöhnliche Antworten zu finden. Gerade deshalb vermag sie Perspektiven aufzuzeigen, die uns Herz und Augen öffnen können. Perspektiven, die uns helfen, die Fragen nach dem «Wer sind wir?» und dem «Wer möchten wir sein?» zu klären. Davon soll an den diesjährigen Solothurner Literaturtagen ausgiebig die Rede sein.
Persönliche Erfahrungen
Francesca Sanna, Olga Grjasnowa (DE), Franzobel (AT) und Ilija Trojanow (DE) beispielsweise setzen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit der aktuellen Flüchtlingskrise auseinander. Persönliche Erfahrungen liegen dem Buch «Halt auf Verlagen» von Urs Faes zugrunde, der die Gedankengänge eines Krebspatienten festhält, oder dem Roman «Chaya» von Kathy Zarnegin, in dem die iranische Protagonistin einen neuen Lebensabschnitt in Europa beginnt. Gleich in vier Neuerscheinungen geraten geregelte Lebensentwürfe von männlichen Protagonisten ins Wanken: in «Hagard» von Lukas Bärfuss, in «Die Wolken waren gross und weiss und zogen da oben hin» von Matthias Zschokke, in «Kraft» von Jonas Lüscher und in «Nina & Tom» von Tom Kummer.
Konzertante Lesungen
Die weite Welt nach Solothurn bringen die Autorin Amsél (CH) mit ihrem beeindruckenden Romandebüt, das in Marokko spielt: «Wiedersehen in Tanger», Alan Pauls (AR) mit seiner vielgelobten Trilogie über die gesellschaftliche und ökonomische Situation in Argentinien, der kongolesische Autor Fiston Mwanza Mujila (CD) und die französische Autorin Shumona Sinha. Nennenswert an der diesjährigen Ausgabe der Solothurner Literaturtage ist das mehrfache Zusammenspiel von Literatur und Musik. Gleich vier Gäste treten mit Musikerinnen und Musikern auf: Michael Fehr mit Manuel Troller (git), Martina Clavadetscher mit Isa Wiss (voc), Fiston Mwanza Mujila mit Patrick Dunst (sax) und die bereits erwähnte Amsél mit Hamid Moustaghni (oud).