Gender-Politik und Emanzipationsbewegungen waren treibende Kräfte im 20. Jahrhundert. Frauen machten sich in die Moderne auf, indem sie ihnen verschlossene Berufe eroberten, sich politisch engagierten und neue Geschlechterverhältnisse erprobten. Die Ausstellung zeigt Porträts von deutschen und Schweizer Pionierinnen und Vertreterinnen der Baukultur. Frauen, die die gewohnten Standards von Weiblichkeit in Frage stellten und sich im Architektenberuf etablierten.
Zentrum Architektur Zürich | Frau Architekt
- Publiziert am 3. März 2020
Junge Schweizer Architektinnen erhalten jeweils für zwei bis drei Wochen in der Schau eine Carte Blanche, um ihr Büro und ihre Projekte im Turnus erstmals einem grösseren Publikum vorzustellen.
Haltmeier Kister (Zürich)
Liliane Haltmeier, *1983, Luise Kister, *1984
27.2.20 bis 15.3.20
Studio Barrus (Zürich)
Besa Zajmi, *1988, Alexia Sawerschel, *1889 & Romana Castiglioni, *1989
16. März bis 5. April 2020
Blättler Heinzer (Zürich & Luzern)
Johanna Blätter, *1982, Danièle Heinzer, *1982
06. bis 26. April 2020
Baumgartner Bär (Zürich & Pratval)
Nicole Baumgartner, *1983, Michelle Bär, *1984
27. April bis 10. Mai 2020
Ein Blick in die Ausstellung
Die vom Deutschen Architekturmuseum produzierte Ausstellung «Frau Architekt» beinhaltet rund 18 ausführliche Porträts von Frauen aus Deutschland, die die Architektur seit 1900 massgeblich beeinflusst haben oder bis in die heutige Zeit prägen. Das ZAZ ergänzt diese mit 31 weiteren Kurzbiografien von Schweizer Pionierinnen. Die Geschichte beginnt in Deutschland mit Emilie Winkelmann, die 1907 in Berlin ihr eigenes Architekturbüro gründete und in der Schweiz mit Lux Guyer, die in Zürich 1924 ihr Büro eröffnete und als eine der ersten selbstständigen Architektinnen der Schweiz gilt. Im grosszügig dimensionierten Treppenhaus des ZAZ dokumentiert eine Timeline die wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der Schweizer Architektinnen. In Interviews erzählen verschiedene bekannte und unbekanntere Protagonistinnen unterschiedlichster Generationen der Schweizer Baukultur über ihre berufliche Karriere, ihre Projekte und schildern ihre Perspektive als Frau im Berufsfeld des Bauwesens. Ziel der aufgezeichneten Gespräche ist, ein Oral History-Archiv für die Dokumentation von Schweizer Baukünstlerinnen zu etablieren.
Warum «Frau Architekt» jetzt?
Ein Grund: Seit geraumer Zeit studieren immer mehr Frauen Architektur – an manchen Ausbildungsstätten sind sogar mehr weibliche Studierende als männliche verzeichnet. Längst nicht alle kommen auch tatsächlich im Beruf an, sie steigen entweder erst gar nicht ein oder brechen nach kurzer Zeit wieder ab. So entsteht eine grosse «missing group», eine Diskrepanz zwischen der Anzahl der weiblichen Studierenden und ausgebildeten Architektinnen, die bei den deutschen Architektenkammern sowie dem BSA (Bund Schweizer Architekten) und SIA (Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein) als Mitglieder geführt werden. Von denen, die bleiben, schaffen es nur wenige in die erste Reihe. Dort ist Architektur immer noch Männersache. So ist die grosse Frage: Warum kehren so viele Frauen, die häufig erstklassige Abschlüsse gemacht haben, der Architektur wieder den Rücken?
Ein zweiter Grund: Die Geschichtsschreibung der Architektur weist in einem doppelten Sinne blinde Flecken auf: Nicht nur wird die Geschichte primär von männlichen Stimmen geschrieben, auch die Historie selbst fokussiert auf männliche Protagonisten. (Landschafts-)Architektinnen, Ingenieurinnen und Theoretikerinnen weisen in Repräsentationssystemen wie Archiven, Lexika, Publikationen und Ausstellungen eine marginale Präsenz auf. In der Ausstellung erhalten die Biographien und Werke der zahlreichen Akteurinnen eine posthume Würdigung und damit Sichtbarkeit.
Strukturelle Diskrepanz
Ergänzend wird die Schau im Innen- und Aussenraum des ZAZs mit räumlichen und / oder begehbaren Skulpturen, die Statistiken darstellen. Die graphisch und baulich dreidimensional im Hof, in den Ausstellungssälen und an der Fassade des ZAZ’s angebrachten Fakten zeigen auf, welche quantitative Realität sich hinter der Schweizer Architektur verbirgt. Diese Zahlen belegen, dass Frauen als Akteurinnen der Baukultur hierzulande untervertreten sind, nur wenige formen die Disziplin sichtbar. Vor allem in Führungspositionen – sei es in der Praxis oder im akademischen Bereich – fällt der Frauenanteil sehr gering aus. Die Ausstellung und insbesondere auch das vielschichtige Begleitprogramm greifen diese strukturelle Diskrepanz gezielt auf. Gemeinsam sollen Lösungsvorschläge und Perspektiven erarbeitet werden.
Elsa Burckhardt – Blum, Foto: Thomas Cugini (Zürcher Hochschule der Künste / Archiv)