Seinerzeit galt er als «legendär» und war einer breiten Öffentlichkeit bekannt, heute ist der Expressionist, der auch mit Ferdinand Hodler befreundet war, eine Neuentdeckung. Die Ausstellung «Ich male nur mich» zeigt Selbstbildnisse des Künstlers, dessen Antlitz Betrachtenden nur eine erste Vorstellung seiner Tiefgründigkeit geben kann.
Wiederentdeckung | Johannes Robert Schürch | Ich male nur mich
- Publiziert am 28. Oktober 2020
«Ich male nur mich, ich male mein Leben, mein Selbst, meine Qualen, meine Freuden, meine Andacht, meine Hoffnung und meinen Zorn… Schau, jeder Baum ist arm und einsam und er möchte hinaufwachsen in Höhe und Licht; auch jeder Mensch ist arm und einsam… Es muss etwas kommen… Auch die toten Dinge schreien nach etwas, das Tier, die Pflanze, der Berg, der Baum, der Mensch, der Himmel und die Felsen…»
Johannes Robert Schürch
Ein Schweizer Expressionist
Johannes Robert Schürch (1895-1941) ist bekannt als einer der wichtigsten Vertreter des Expressionismus in der Schweiz, auch wenn sein Werk nicht nur einem Stil zuzuordnen ist. Für den Kunsttheoretiker und Künstler Theo Kneubühler ist Schürch «ein Gratwanderer, ein Extremist, der das Leben immer dort aufspürte, wo es keine Sicherheiten mehr gibt.» Und Kneubühler hält fest, «dass bei keinem Schweizer Künstler dieses Jahrhunderts [des 20.] die Seinsdimension so direkt das Schaffen bestimmte.»
Johannes Robert Schürch
Geboren am 18. November 1895 in Aarau. Früh verliert er seinen Vater, der eine kleine Druckerei betrieb, und seine beiden Schwestern sterben an Tuberkulose. Schulen in Zürich, dort Grafiklehre und Zeichenunterricht. 1914 als Soldat beim Grenzschutz. 1916 Kontakt mit Ferdinand Hodler, woraufhin er nach Genf zieht. Beschäftigung mit Rodin, Goya und Daumier. 1920/22 Stipendium in Florenz, dort Auseinandersetzung vor allem mit Masaccio und Piero della Francesca. 1922 lässt er sich zusammen mit seiner Mutter in einem Häuschen oberhalb von Locarno, in Monti, nieder. Während zehn Jahren Leben in grosser Abgeschiedenheit, produktivste Schaffensphase. 1932 löst er sich von der Mutter und zieht nach Brione, bald darauf nach Ascona, wo er in regen Austausch tritt sowohl mit seinen Schweizer Künstlerfreunden Ignaz Epper und Fritz Pauli, als auch mit einem Kreis deutscher und russischer Immigranten um Marianne von Werefkin. Starkes politisches Bewusstsein. Teilnahme an Ausstellungen u.a. in Davos, Leipzig und Basel. 1933 schwerer Autounfall, von dessen Folgen er sich nie mehr ganz erholt. Nach Freundschaften mit verschiedenen Frauen lernt er 1935 die zwanzig Jahre jüngere Erica Leutwyler kennen, die seine Partnerin wird und ihm bis zu seinem Tod zur Seite steht. Nach Ausbruch des 2. Weltkriegs 1939 leistet er kurze Zeit Militärdienst, bis er wegen schwerer Bronchitis, wohl der Beginn der späteren offenen Tuberkulose, entlassen wird. Sein Gesundheitszustand verschlimmert sich zunehmend; er stirbt am 14. Mai 1941 bereits mit 46 Jahren. In der Deutschschweiz wird der Tod des ‹legendären Elendmalers› sehr beachtet. In den folgenden Jahren finden verschiedene Gedächtnisausstellungen statt in Bern, Zürich, Genf und Luzern.
Die Stifterin
Erica Ebinger-Leutwyler (1915-2015), die Stifterin, war eine in vielerlei Hinsicht aussergewöhnliche Frau. Mit 20 Jahren lernt sie in Ascona Johannes Robert Schürch kennen und wird seine Partnerin. Nach dessen frühem Tod 1941 geht der gesamte Nachlass des Künstlers in ihren Besitz über. Zeitlebens engagiert sie sich dafür, das Andenken an Schürch wach zu halten. In Luzern, wohin sie nach ihrer Heirat mit Sepp Ebinger 1943 zieht, wird sie u.a. zur Galeristin und ist mit vielen Kunstschaffenden, unter ihnen Dieter Roth, freundschaftlich verbunden.
Stiftung als Vermittlerin
Die Erica Ebinger-Leutyler Stiftung bezweckt neben der Verwaltung des künstlerischen und schriftlichen Nachlasses von Johannes Robert Schürch den Aufbau eines Kompetenz- und Dokumentationszentrums für den Künstler. Insbesondere ist damit auch die Vermittlung seines Schaffens an die Nachwelt verbunden.