Das Spezielle daran ist, dass Cellini all seine Verbrechen in seiner Vita genüsslich niederschrieb. Kulturjournalist Philipp Meier geht in einem bemerkenswerten Artikel in der NZZ der Frage nach, wie die Kunst des Italieners, der die weltberühmte «Saliera» geschaffen hat, die 2003 auf spektakuläre Weise aus dem Kunsthistorischen Museum Wien gestohlen wurde, in diesem Kontext zu beurteilen ist.
Sex-Monster, Mehrfachmörder, Genie | Benvenuto Cellini
- Publiziert am 26. März 2021
Das Leben des Renaissance-Künstlers liest sich wie ein Groschenroman: Drei Morde, Diebstahl, Vergewaltigungen, Prügeleien, Sadomie.
Spektakulärer Diebstahl
Ein Werk von Benvenuto Cellini machte 2003 Schlagzeilen. Der Alarmanlagen-Techniker Robert Mang hatte mit «unerträglicher Leichtigkeit» das veraltete Sicherungssystem des Kunsthistorischen Museums in Wien überwunden und die «Saliera» geraubt. «Ich bin betrunken am Gerüst gestanden und hab’ mir keine Gedanken gemacht, was ich nehmen soll. Es ist mir ums Reinkommen gegangen.» Nach Einschlagen einer Vitrine hatte er das erstbeste Exponat an sich genommen, ohne zu wissen, was es ist. Die «Sally» wie der Dieb das vergoldete Salzfass später liebevoll nannte, sei recht handlich gewesen, «ein Gemälde hätte ich nicht abtransportieren können». Der Alarm wurde zwar ausgelöst, aber vom Personal zurückgesetzt, da man an einen Fehlalarm glaubte. Vor Gericht hatte Mang erklärt, dass er sich bei einem früheren Museumsbesuch zweierlei angesehen habe: «Die feschen Italienerinnen und die bemitleidenswert altertümliche Alarmanlage». Der Versuch des Täters von der Versicherung des Museums für «Sally», zehn Millionen Euro zu kassieren, sorgte für Aufregung, drohte er doch andernfalls Cellinis Meisterwerk, das heute auf einen Wert von 50 Millionen Euro angesetzt wird, einzuschmelzen. Mang wurde schliesslich eine von ihm verwendete Handy-Wertkarte zum Verhängnis, so konnte er zweieinhalb Jahre nach der Tat ausgeforscht werden. Das Salzfass hatte Mang zuerst in seiner Wiener Wohnung unter dem Bett versteckt und später in einem Wald in Niederösterreich vergraben. Nach seiner Festnahme führte er die Beamten widerstandslos zum Fundort. Heute ist die «Saliera» im Museum zu einem beliebten Motiv für Selfies geworden.
Kunst voller Mordlust und Erotik
«Was aber ist nun mit Cellinis Kunst? Müsste sie heute nicht ganz neu bewertet werden? Von seiner moralischen Verworfenheit ist sie jedenfalls nicht unberührt geblieben. Gewalttätigkeit und Sinnlichkeit des Meisters verschmolzen in dessen Werken geradezu mit seinem Verlangen nach Schönheit. Aufs Deutlichste hat seine Mordlust ihre Spuren in seiner berühmtesten, heute noch erhaltenen Skulptur hinterlassen: Sein Perseus strotzt nur so von Brutalität, der Blutrausch des griechischen Halbgottes, der der Medusa durch eine List den Kopf abgeschlagen hatte, ist in dieser Bronzeplastik drastisch versinnbildlicht. Schwalle von Blut strömen aus dem leblosen weiblichen Körper, der schmerzlich verrenkt unter den Füssen des erotisch aufgeladenen nackten Schlächters liegt. Blut trieft auch vom triumphierend in die Höhe gehaltenen Gorgonenhaupt, dessen Blick in Agonie erstarrt ist. Überdies hat Cellini seinen Perseus mit einem real geschmiedeten Schwert ausgestattet, damit auch ja kein Zweifel an dessen mörderischer Schlagkraft aufkomme.» Philipp Meyer, Neue Zürcher Zeitung
Benvenuto Cellinis «Perseus» strotzt nur so von Brutalität und Blutrausch. Wie würde so ein Kunstwerk wohl heute aufgenommen?