Zwischen 1930 und 1970 stammte beinahe jedes Bild aus Obwalden, das in der regionalen oder nationalen Presse erschien, aus dem Haus Reinhard. Diese unzähligen, häufig auch künstlerisch wertvollen Fotografien aus vier Jahrzehnten haben das Selbstverständnis der hiesigen Leute und ihre Wahrnehmung des eigenen Lebensraums stark mitgeprägt. Sie gehören zum kollektiven Bildgedächtnis vieler Obwaldnerinnen und Obwaldner.
Porträt | Fotohaus Reinhard
Ehrung für das generationenübergreifende Gesamtwerk, das Sachsler Fotohaus Reinhard erhält den Obwaldner Kulturpreis.
Ein feines Auge für alltägliche Motive
Unter der Bezeichnung Fotohaus Reinhard sind konkret drei Fotografen aus der Familie Reinhard gemeint. Drei aufeinander folgenden Generationen in direkter Linie: Joseph Reinhard (1901 bis 1975), Josef «Katastrophen Sepp» Reinhard (* 1931) und Daniel Reinhard (* 1960). Bemerkenswerterweise reicht das fotografische Gesamtwerk der Reinhards weit über die Grenzen der Pressefotografie mit ihrem Hang zum Spektakulären, Sensationellen und Dramatischen hinaus. Nicht zuletzt der als Bildchronist von allerlei Unglücksfällen in Obwalden legendär gewordene «Katastrophen-Sepp» hatte ein feines Auge für alltägliche Motive, die aus heutiger Sicht unerwartete und rare Einblicke in längst verschwundene Lebenswelten geben. Über die Jahrzehnte hinweg sind im Rahmen von Publikationen, Ausstellungen oder filmischen Dokumentationen Teile der Fotosammlung der Reinhards in der Öffentlichkeit präsentiert worden. Material genug, um den enormen kulturgeschichtlichen Wert dieses Gesamtwerks für den Kanton Obwalden erkennen und würdigen zu können.
Drei Biografien, drei Generationen Fotografie
Joseph Reinhard, 1901 in Sachseln geboren, erlernte den Beruf des Coiffeurs. Während er in Flüeli-Ranft ein entsprechendes Geschäft führt, entwickelt er nebenher die Filme der Touristen. Nachdem er sich das Fotografieren autodidaktisch beigebracht hatte, bildet er zeit seines Lebens vor allem Landschaftsmotive ab. 1932 eröffnete er in Sachseln ein Papeterie- und Fotogeschäft. In seinem eigenen Verlag erschienen zahlreiche Postkarten. Bis zu seinem Tod 1975 führte er den Betrieb zusammen mit seinem Sohn. Josef (Sepp) Reinhard, 1931 in Sachseln geboren, machte in Luzern eine Berufslehre als Fotograf. Ende der 1940er Jahre begann er seine Tätigkeit als Fotoreporter in Obwalden, die er folglich bis ins frühe 21. Jahrhundert intensiv ausübte. Seine Bilder erschienen regelmässig in lokalen, regionalen und nationalen Zeitungen. Internationales Renommee erlangt er ab den 1950er Jahren mit seinen Aufnahmen von Autorennen, die in deutschen Rennsportmagazinen abgedruckt wurden. Daniel Reinhard, 1960 in Sachseln geboren, absolvierte die Ausbildung zum Fotografen an der Höheren Grafischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Nach einem Assistenzjahr beim Wiener «Fotostudio 2» machte er sich 1986 als Industrie- und Werbefotograf selbstständig. Mit seinen qualitativ hochstehenden Aufnahmen von Formel 1-Rennen avancierte er in der internationalen Motorsport-Szene zu einer bekannten Figur.
Obwaldner Kulturpreis
Der Kanton Obwalden verleiht in regelmässigen Abständen den Obwaldner Kulturpreis für besondere Verdienste um kulturelle Werte und um künstlerisches Schaffen. Die ehrenvolle Auszeichnung soll insbesondere Urheber eines umfangreichen Werks würdigen, das aufgrund seiner Qualität und Aussagekraft auf das Kulturleben im Kanton über längere Zeit hinweg einen befruchtenden Einfluss hatte. Erstmals wurde der Preis im Jahr 1969 an den Komponisten Caspar Diethelm vergeben. Der Obwaldner Kulturpreis ist mit 5000 Franken dotiert. In den letzten beiden Jahrzehnten erfolgte die Vergabe – abgesehen von einer Ausnahme – jeweils im Dreijahresrhythmus, letztmals im Jahr 2016.