Leonardo Bürgi hat zwei Ökosysteme künstlich in Zuchtzelten angelegt und überlässt sie fünf Monate lang ihren eigenen Kräften. Dabei wird der üblicherweise verborgene Teil von Pilzen sichtbar, das Pilzmyzel, das hier als Metapher für die Beziehung des Menschen zu floralen Lebensräumen und kulturellen Landschaften fungiert, der Natur zur Kultur.
Kunst(Zeug)Haus | Seitenwagen | Leonardo Bürgi
Das Pilzmyzel sichtbar machen. Verborgenes ins Licht rücken. Wachsen lassen. Beziehungen aufnehmen und beobachten.
Pilze – ein eigenes Reich
Als Teil einer Gesamtinstallation hat Leonardo Bürgi in zwei Zuchtzelten zwei verschieden Pilze inokuliert, Austernseitlinge und Limonenseitlinge. Eingefügt in kleine, in sich geschlossene Mikrolandschaften werden die Pilze über den gesamten Verlauf der Ausstellung in den Zuchtzelten kultiviert. Da Bürgi mit der hohen Luftfeuchtigkeit, der regulierten Frischluftzufuhr, der gezielten Beleuchtung und dem guten Nährboden ein für den Pilz ideales Klima schafft, wird der sonst kaum erkennbare weisse Pilzmyzel sichtbar. Leonardo Bürgi fasziniert neben der systemrelevanten Bedeutung des Pilzes auch das Element der Vergänglichkeit, welcher dieser in sich trägt. Pilze sind für den Menschen oft nur im Moment der Fruchtbildung und damit nur zu einem sehr kurzen zeitlichen Abschnitt seiner gesamten Existenz sichtbar. Das Element der Zeitlichkeit greift er in seinen Farbstiftzeichnungen mehrmals und mehrschichtig auf. Mehrdeutig betitelt Leonardo Bürgi seine Installation «Exo Terra», also «Ausserhalb der Erde», oder «von Aussen auf die Erde kommen». Forschende schickten Flechten mit Satelliten ins Weltall und stellten fest, dass einige Arten tatsächlich überlebten. Was also, so fragt der Künstler, wenn Pilze oder Flechten sich nicht auf der Erde entwickelten, sondern «von aussen» auf unseren Planeten gelangten? Wie würde dies unser Denkbild verändern? Zusätzlich soll der Titel die menschliche Distanz zu seiner natürlichen Umgebung und zur Natur betonen, sowie auf Konflikte zwischen Lebensräumen hinweisen. Mit seiner Installation entwirft Bürki eine nicht hierarchische Denkstruktur, der ein vielseitiges und umfassendes Vernetzen inhärent ist, analog den Pilzen mit ihrem Myzel.
Seitenwagen
Die Ausstellung «Exo Terra» ist Teil der Reihe «Seitenwagen», einer Förderplattform für Kunstschaffende unter 30 Jahren, die seit 2014 Nachwuchspositionen in den Kabinetträumen des Kunst(Zeug)Haus zeigt. Die Künstler*innen erhalten jeweils eine «Carte Blanche». Leonardo Bürgi studierte Bildende Kunst an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. 2017 absolvierte er ein Austauschsemester an der UNAM in Mexiko-City. Bürgi erhielt bereits verschieden Projektbeiträge und Künstlerresidenzen zugesprochen. Seit 2019 ist er aktives Vorstandsmitglied im Ausstellungsraum Klingental in Basel. Sein Projekt «Living Things» wurde 2021 innerhalb der Ausschreibung des Kunstkredits für Kunst im öffentlichen Raum «Zur Sandgrube» ausgewählt.