Jenny Holzer (*1950) zählt zu den führenden Künstlerinnen ihrer Generation. Für das Kunstmuseum Basel kuratiert sie eine Ausstellung mit Arbeiten von Louise Bourgeois (1911–2010), einer der einflussreichsten Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts.Die Freundschaft zwischen Bourgeois und Holzer bildet das Fundament für das ehrgeizige Projekt, das weit mehr als eine blosse Hommage der jüngeren Künstlerin an ihre ältere Kollegin ist.
Kunstmuseum Basel | Louise Bourgeois x Jenny Holzer
- Publiziert am 18. Januar 2022
Ihre Auseinandersetzung mit Bourgeois’ Oeuvre vertieft Holzer in ihrem Künstlerbuch, in dem sie deren Kunst und Schriften in paarweise angeordneten ganzseitigen, oft radikal beschnittenen Kompositionen zu einer raffinierten Geschichte verwebt. Hier und da verortet sie Bourgeois in der Kunstgeschichte, indem sie Bilder ihrer Werke mit ähnlich bearbeiteten Abbildungen von Meisterwerken aus der Sammlung des Kunstmuseums kombiniert. So ergeben sich unerwartete Gegenüberstellungen, die auf den ersten Blick ungereimt sind und zum Nachdenken anregen. Das einzigartige Künstlerbuch entsteht in Zusammenarbeit mit JRP | Editions.
Die Bedeutung der Sprache
Trotz der auf den ersten Blick radikal unterschiedlichen künstlerischen Entwürfe zeigen sich bei beiden Künstlerinnen Parallelen in der Verwendung von Sprache und insbesondere des geschriebenen Worts. Diese liegen Holzers scharfsinniger und zugleich einfühlsamer Deutung von Bourgeois’ Werken und ihrer höchst originellen Sicht auf deren Oeuvre zugrunde. Holzer gelangte seit den frühen 1980ern mit ihrem subversiven und provokanten Einsatz von Sprache im öffentlichen Raum zu weltweiter Bekanntheit. Sie bedient sich einer breiten Palette von Medien und Formaten, von T-Shirts und Strassenschildern bis hin zu grossflächigen Projektionen und Lastwagen mit LED-Schriftzügen. Ihre Arbeiten analysieren und hinterfragen die in Politik, Geschlechterrollen, Wirtschaftsleben und Gesellschaft herrschenden Machtverhältnisse.
Abhängigkeit, Sexualität, Eifersucht…
Bourgeois erkundete in ihrer vielseitigen künstlerischen Praxis, die sich durch grossen Einfallsreichtum auszeichnete, die Tiefen ihrer inneren Seelenlandschaft. Ihr heterogenes Werk setzt sich mit vielfältigen menschlichen Emotionen auseinander: Liebe, Begehren, Abhängigkeit, Sexualität, Zurückweisung, Eifersucht, Verlust und Verlassensein. Die Künstlerin schrieb fast wie besessen. Ihr umfangreiches Archiv umfasst Tagebücher und Briefe, die sie über viele Jahrzehnte aufbewahrte, sowie Hunderte von Aufzeichnungen auf losen Blättern, entstanden während der Psychoanalyse, der sie sich ab 1951, kurz nach dem Tod ihres Vaters, unterzog. Dem Schreiben kam in Bourgeois’ Schaffensprozess eine wichtige Rolle zu. Wie ihre Werke verlieh es ihren Traumata Ausdruck und half manchmal auch, sie zu verarbeiten. Der Schreibakt ermöglichte es ihr, teils unbewusste Gefühle und Impulse bewusst zu artikulieren. In ihrer Kunst verwendete sie das geschriebene Wort in vielen Formen: Sie stickte es auf Textilien wie Unterhosen und Taschentücher, prägte es in Bleitafeln ein, schrieb es auf Drucke und machte es zum Bestandteil einiger ihrer Cell («Zelle») genannten Installationen. In vielen späteren Arbeiten griff Bourgeois auf ihre früheren Tagebücher und andere Schriften zurück und verschmolz so nicht nur Bild und geschriebenes Wort, sondern auch Vergangenheit und Gegenwart.
Louise Bourgeois x Jenny Holzer
Das Kunstmuseum Basel hat Holzer bei der Umsetzung der aussergewöhnlichen Ausstellung und des damit verbundenen Künstlerbuchs alle Freiheiten zugestanden. Für die Ausstellung «Louise Bourgeois x Jenny Holzer» hat Holzer in neun Räumen im Kunstmuseum Basel Werke von Bourgeois in thematischen Gruppen zusammengestellt. Die Präsentation folgt einer intuitiven und poetischen Logik. Jeder Raum steht sich und besitzt seine ganz eigene Identität. Gleichzeitig entfaltet die Schau im Ganzen zugleich eine dichte und vielschichtige Erzählung von Erinnerung, den fünf Sinnen, Landschaften, dem Unbewussten, Sexualität, Mutterschaft, Trauma und Kreativität.