Rebellisch, radikal und unverstanden: Richard Gerstl (1883–1908) war seiner Zeit weit voraus. Zeit seines Schaffens stiess er auf Ablehnung, nach seinem Selbstmord mit gerade mal 25 Jahren drohte er in Vergessenheit zu geraten. Heute hat sich der Künstler als zentrale Figur in die Avantgarde der Kunstgeschichte eingeschrieben und ist Inspiration für bedeutende Gegenwartskünstler:innen wie Martha Jungwirth, Georg Baselitz oder Günter Brus.
Kunsthaus Zug | Richard Gerstl
Er war der erste österreichische Expressionist. Sein Werk hat noch heute eine ungebrochene Sprengkraft.
Zu radikal
Richard Gerstl setzte sich mit der internationalen Kunst auseinander, die er in der Wiener Secession und in der Galerie Miethke zu sehen bekam. Ebenso wichtig für seine kritische und rebellische Haltung dürfte seine hohe Wertschätzung für die neue Musik und den Kreis rund um den Komponisten Arnold Schönberg, aber auch die Beschäftigung mit Literatur, Sprache und Philosophie gewesen sein. Für seine Zeitgenossen war das Schaffen des jungen Künstlers zu radikal. Er konnte zu Lebzeiten kaum Ausstellungen realisieren und nahm sich im Alter von nur 25 Jahren das Leben. Erhalten blieben etwa siebzig Arbeiten. Heute gilt Gerstl als der erste österreichische Expressionist und seine wegweisenden Arbeiten fanden in den letzten Jahren immer mehr internationale Beachtung. Die Wiederentdeckung des Künstlers ist eng mit dem Kunsthaus Zug verbunden: Als künstlerischer Leiter der Galerie Würthle, die Fritz und Editha Kamm-Ehrbar in Zug gehörte, erwarb Fritz Wotruba Gerstls Nachlass. Wotruba und Kamms trugen mit Ausstellungen und Leihgaben massgeblich zur Bekanntheit des Künstlers bei. Das Kunsthaus Zug betreut die zweitgrösste Gerstl Sammlung nach dem Leopold Museum in Wien.
Künstlerische Sprengkraft
Die Ausstellung ‹Richard Gerstl. Inspiration – Vermächtnis› setzt den Künstler ins Verhältnis zu nachfolgenden Generationen. Wie haben diese ab 1960 auf den Künstler reagiert? Gegenüberstellungen etwa mit Werken von Günter Brus und Otto Muehl, aber auch mit zeitgenössischen Positionen betonen die Aktualität von Gerstls expressivem Schaffen. Das damalige künstlerische Umfeld wird mit Werken von Künstlern wie Gustav Klimt, Edvard Munch und Egon Schiele aus der eigenen Sammlung skizziert. Die Ausstellung übersetzt die historischen Positionen in die Gegenwart und zeigt die Sprengkraft von Gerstls Werk bis heute. ‹Richard Gerstl. Inspiration – Vermächtnis› entstand in Kooperation mit dem Leopold Museum, Wien, begleitend dazu ist eine gemeinsame Publikation erschienen.